Brief in die Auberginenrepublik
dem Schwarzmarkt in Paris gekauft hatte, und dass er ursprünglich Marie Antoinette, der Spießerkönigin, gehörte, die während der Französischen Revolution auf dem Schafott endete. Jamila berichtete, dass ihre Mutter in diesen Gegenstand sehr verliebt gewesen sei. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass ihre Mutter den Spiegel mehr liebte als ihren Mann.
Ich erinnere mich auch an die Geschichte eines Universitätsdozenten aus Berlin, der vor Jahren als Gast ins Café kam. Dieser blonde Deutsche, der eine hässliche kurze Hose trug, behauptete, der Spiegel gehöre Semiramis, der babylonischen Königin. Die kannte ich aus der Schule, die Frau mit den hängenden Gärten. Der Dozent behauptete, die Königin sei unglücklich gestorben. Ihre Seele lebe aber womöglich immer noch in diesem Spiegel. Der Spiegel sei also ein Gefängnis der traurigen Seelen.
Mir allerdings scheint der Spiegel so merkwürdig nicht zu sein. Walid scherzte immer über das Geheimnisvolle dieses Möbelstücks: »Er sieht höchst edel aus und passt zu einer Königin. Aber sicher nicht zu der Königin aus diesem Café!«
Plötzlich reißt mich mein Mitarbeiter Marzouk aus meinen Phantastereien, er steht aufgeregt vor mir und sagt: »Herr, Majed, du bist ja immer noch hier! Der Busfahrer wartet auf dich!«
»Wie spät ist es?«
»17 Uhr.«
Ich schaue auf die Kuckucksuhr und auf meine Armbanduhr. Beide zeigen 17 Uhr. »Was? Bin ich seit Stunden hier? Machst du Witze? Ich habe nur eine Tasse Tee getrunken!«
»Ist alles in Ordnung?«, fragt Marzouk besorgt.
»Okay, ich fahre jetzt los! Geh du ins Büro!«
Ich rufe den Kellner und verlange die Rechnung.
»Drei Mal Wasserpfeife und sieben Gläser Tee. Das macht …«
»Moment, sieben?« Für jeden Kuckucksruf ein Glas? Ich wundere mich.
»Ja.«
Ich bezahle, stehe auf und frage mich, ob alles in Ordnung ist mit mir. War ich so lange hier? In diesem Moment treffen sich Jamilas und meine Blicke, aber sie dreht sich sofort wieder weg und beschäftigt sich mit irgendetwas, das vor ihr auf dem Tisch liegt. Ich überlege, zu ihr hinüberzugehen, entscheide mich aber spontan, es nicht zu tun, und gehe einfach weiter. Bevor ich den Ausgang des Cafés erreiche, fällt mein flüchtiger Blick nochmals in den Spiegel, und irgendwie bekomme ich den Eindruck, Walid würde mich gerade aus dieser Spiegelwelt heraus beobachten.
Die Sonne brennt noch immer, und die Ramsesstraße wirkt äußerst lebendig. Die Geschäfte sind wieder geöffnet, Straßenverkäufer fast überall, ebenso die Kunden. Alles sieht aus wie an jedem Nachmittag, wie ein großer Basar. Ich steige in meinen Wagen, werfe die mit Briefen und Dokumenten gefüllte Plastiktüte auf den Rücksitz und fahre los. Auf dem gesamten Weg fühle ich mich müde und wie betrunken. Hinzu kommt der stockende Verkehr. Mein Auto steht gerade wieder, bewegungslos wie eine Leiche im Sarg. Nach einer Dreißigminutenfahrt sehe ich endlich den Tahrir-Platz, biege in die Talaat-Harb-Straße und halte vor dem Arabische-Allianz-Reisebüro.
Seit 1997 kümmere ich mich um Briefsendungen und führe das Geschäft in Kairo ohne Probleme. Ich bin noch immer von dieser Geschäftsidee begeistert. Die Entdeckung dieser Goldgrube eröffnete sich mir in Kairo, im obersten Stockwerk des Hilton-Hotels, an der Bar. Ich wollte meinen libyschen Geschäftspartner treffen, den Leiter des Al-Amel-Reisebüros Malik Gaddaf-Al-Dam. Zusammen organisieren wir Reisen zwischen Ägypten und Libyen. Der Libyer kam aber nicht allein, sondern in Begleitung eines irakischen Unternehmers. Ein wirklich drolliger Typ, mit hässlichem schwarzen Cowboy-Hut, einer teuren kubanischen Zigarre im Mundwinkel und einem auffälligen lauten Lachen. Er war genau das, was man sich unter einer Nervensäge vorzustellen hat. Bei diesem seltsamen Iraker, der ständig das Wort »einfach« wiederholte und alles als »einfach« bezeichnete, handelte es sich um Ali Al-Bhadly, einen der erfolgreichsten Manager und Geschäftsmänner in Amman. In Jordaniens Hauptstadt besitzt er ein großes Reisebüro mit weiteren Vertretungen in vielen arabischen Städten …
»Briefsendungen sind mein neues Geschäft. Ich suche nach Partnern in Ägypten«, schwadronierte der Iraker, und wir, die beiden Nordafrikaner, hörten schweigend zu. »In fast allen wichtigen Städten, in denen sich viele Iraker aufhalten, habe ich inzwischen Leute, die für mich arbeiten. In Bengasi wird Malik zuständig sein. Der Job ist wirklich einfach und
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