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Briefe aus dem Gefaengnis

Briefe aus dem Gefaengnis

Titel: Briefe aus dem Gefaengnis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michail Chodorkowski
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Sitzung der MIK (Militärisch-industrielle Kommission) teil – also der »Neun« plus Verteidigungsministerium. Aber das ist ein Thema für sich.
    Den ZK-Sekretär für Verteidigung Baklanow kannte ich nicht, ich habe ihn aber später, nach 1991, aus Branchensolidarität zu mir geholt. Jelzin wusste davon, äußerte sich aber nie dazu. 16
    1996 weigerten sich die Rüstungsleute ganz offen, Jelzin Geld zu geben (als Kredit an die Regierung, damals war so etwas möglich!), doch als ich sie um Geld bat, gaben sie es mir, auf mein Ehrenwort hin. Obwohl sie damit ihren Kopf riskierten. Von einem Teil dieses Geldes kaufte ich Jukos, später zahlte ich es zurück. Sie wussten, wofür ich das Geld brauchte. Einige meiner Bekannten, die ich für gute Menschen halte, waren im Zentralkomitee der Kommunistischen Partei der Russischen Föderation, einige unterstützten auch die Putschisten von 1991 (wie zum Beispiel Baklanow oder Anatoli Lukjanow, dessen Tochter jetzt meine Anwältin ist.)
    Das erwähne ich deshalb, Ljudmila Jewgenjewna, weil die Leute auf der anderen Seite der Barrikade keineswegs eindimensional waren. In bestimmten Dingen stur, waren sie in anderer Hinsicht absolut anständig.

    Ich war genau wie sie Soldat in einem virtuellen Krieg, der nicht meiner war. Aber wir waren aufrichtige Soldaten. Wir verteidigten, was wir für die Wahrheit hielten.
    Ich will Ihnen etwas noch Riskanteres sagen. Wir nahmen die Zusammenarbeit mit dem KGB sehr ernst. Mit »Wir« meine ich die Rüstungsleute. Er arbeitete für uns und kontrollierte uns zugleich, allerdings keineswegs unsere »politische Reife«, sondern als Personenschützer, zur Spionageabwehr. Das waren solide, hochqualifizierte Experten. Einige von ihnen hatten während des Großen Vaterländischen Krieges 17 im Untergrund gearbeitet. Was ich von ihnen gelernt habe, ist mir hier im Gefängnis sehr nützlich, denn sie hatten Gefängnisse und Konzentrationslager überlebt. Sie waren froh, dass ihre Erfahrung noch jemandem nützen konnte. Und ob sie das kann!
    Es gab auch andere – die NKWD 18 -Leute. Die mochte niemand, sowohl wir als auch die Experten, von denen ich sprach, mieden sie.
    Übrigens hat keiner von ihnen (von den Experten) mich je um Geld gebeten. Allerdings konnte ich nach 1991 einigen von ihnen helfen, Arbeit zu finden. Und ihre Kollegen retteten uns das Leben, indem sie sich weigerten, das Weiße Haus zu stürmen. 19 Einige von ihnen kannte ich persönlich, andere nur indirekt.

    Nun zu Führerschaft und Karrierismus. Ich stimme Ihnen nicht zu – das ist nicht dasselbe. Karriere im schlechten Sinne – das ist Aufstieg über die Stufen der bürokratischen Leiter, und zwar durch Kriecherei und Speichelleckerei. Ja, das ist der Weg der meisten »Erfolgreichen«. So konnte man zweiter Sekretär werden, stellvertretender Betriebsleiter, Verwaltungschef und sogar stellvertretender Minister. Aber als Produktionsleiter oder als Betriebsdirektor wurden andere eingesetzt. Leader. Und die wurden geduldet, denn Karrieristen machten auf solchen Posten Murks. Und dafür hatte man sich zu verantworten.
    Jagodin wie Jelzin duldeten mich als »direkten Leiter«, ganz im Sinne der Parteitradition.
    Das war ebenso ein Platz für »Andersartige« wie die Wissenschaft, nur in einem anderen Sinn: politisch auf der richtigen Linie, aber »nicht biegsam«.
    Über Boris Nikolajewitsch kann ich nicht unparteiisch sprechen. Mir sind alle seine negativen Seiten klar. Mehr noch, 1999 fand auch ich, dass er gehen musste. Obgleich ich die Kandidatur Putins nicht begrüßte, und Putin weiß das.
    Aber Boris Nikolajewitsch war eine markante Figur. Ein Fels. Ein echter russischer Zar, mit allen Vor- und Nachteilen dieses Phänomens. Er hat viel Gutes und viel Schlechtes getan. Wovon mehr, kann ich nicht beurteilen.
    Hätte man Russland stärker oder besser verändern können, als er es getan hat? Wäre es auch ohne Thermidor 20
und neue Stagnation, ohne Rückkehr der »Genossen von den Organen« gegangen? Ohne den Tschetschenienkrieg, ohne den Sturm des Weißen Hauses? Vermutlich. Wir haben es nicht vermocht. Nicht er – wir alle. Welches Recht habe ich also, ihn zu verurteilen?
    Als wir uns kennenlernten, war ich 23. Und ich möchte mir meine Erinnerungen von damals bewahren. Er ist tot, und ich schade damit niemandem.
    Eine Idee zur Umgestaltung des ganzen Landes als historisches Gebäude hatte ich zu Gaidars Zeit nicht, aber eine Vorstellung von der Reform der Wirtschaft. Ich

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