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Briefe in die chinesische Vergangenheit

Briefe in die chinesische Vergangenheit

Titel: Briefe in die chinesische Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Herbert Rosendorfer
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Shi-shmi hat mir Theeblätter mitgebracht und mir gestattet, den Thee nach meiner Art zu kochen. Der schmeckt aber ihm nicht. Immer und überall trinken die Großnasen Rindsmilch. Mir scheint das ein Laster der Großnasen zu sein und unausrottbar. Ich kann mir nicht vorstellen, daß das gesund ist; ich kann mir aber sehr wohl vorstellen, daß die Brutalität dieser Großnasen, die sich in ihren unaussprechlichen Manieren, in ihren verkehrten Sitten und nicht zuletzt in ihren ordinär tiefen und lauten Stimmen äußert, auf dem weitverbreiteten Mißbrauch der Rindsmilch zum Trinken beruht. Vielleicht ist auch ihre Schlechtsichtigkeit darauf zurückzuführen. Du mußt dir das ausmalen: was aus dem ädrigen, schwammigen Euter der Kuh herauskommt, was ein so auf und auf schmutziges Tier produziert, führt man an die Lippen und schluckt es sogar hinunter. Schon wie ich das hinschreibe, wird mir schlecht.
    Ein weiteres Getränk ist dunkelbraun, fast schwarz und heißt: Ka-fei. Es wird wie Thee heiß getrunken, stark gesüßt und schmeckt recht anständig, ist auch anregend, sofern es nicht wieder – was die meisten Großnasen tun – durch Hineinschütten von Rindsmilch verunreinigt wird. Daneben gibt es eine endlose Reihe von Getränken, die aus Obst gewonnen werden. Sie lassen sich in zwei Gruppen einteilen: berauschende und nicht berauschende. Zu den berauschenden gehören die zwei Lieblingsgetränke der Großnasen (neben der Rindsmilch): Wein aus Trauben – der nicht schlecht schmeckt, es gibt dunkleren roten und helleren gelblich-grünen – und ein ganz abscheuliches Getränk, das schäumt und vor allem der Volksbelustigung dient. Es sei, sagt Herr Shi-shmi, besonders hier in Ba Yan verbreitet, werde bei allen Gelegenheiten, aber mit besonderer Vorliebe in speziellen Gärten getrunken, auch sehr oft in eigens verfaßten Hymnen besungen. Das Getränk hat zwei Namen, je nach dem Gefäß, aus dem es getrunken wird: Ma-’ßa oder Hal-bal. Ab und zu trinkt Herr Shi-shmi abends einen Hal-bal. Ich habe es versucht; es schmeckt mir nicht. Zu meinem Erstaunen ist es nicht üblich, in den Traubenwein oder in Ma-’ßa und Hal-bal Rindsmilch zu schütten.
    Ein sehr rätselhaftes Getränk kommt, sagt Herr Shi-shmi, aus demselben fernen und zu unserer Zeit noch unbekannten Land, aus dem jene gelblich-mehligen Wurzelknollen kommen, die als Beilage verzehrt werden. Das Getränk heißt: Ko-kao-la-koa oder so ähnlich. Es ist auch dunkelbraun, wird aber kalt getrunken. Herr Shi-shmi sagt, daß der Hersteller dieses Ko-kao-la-koa-Getränks die Zusammensetzung geheimhält und daß bis jetzt auch noch kein Mensch darauf gekommen ist, woraus es besteht. (Rindsmilch enthält es jedenfalls nicht, habe ich festgestellt.) Vor einigen Jahren, sagt Herr Shi-shmi, habe einer in einem Buch geschrieben, Ko-kao-la-koa bestehe aus toten, getrockneten und zerriebenen Hunden. Daraufhin habe ich es nochmals versucht, aber es schmeckt mir trotzdem nicht.
    Zum Essen bei der Dame Pao-leng habe ich Traubenwein getrunken. Es gibt ihn übrigens auch in schäumender Form. Dann nennt man ihn Mo-te Shang-dong. Daran könnte ich mich recht gut gewöhnen. Aber man muß vorsichtig sein; man trinkt ihn wie Wasser, und er steigt in den Kopf. Frau Pao-leng öffnete nach dem Essen hintereinander zwei Flaschen Mo-te Shang-dong, und damit komme ich auf meine Besorgnis zurück, von der ich am Anfang geschrieben habe. Ich bin mir nicht sicher: zugegebenermaßen habe ich von dem köstlichen Mo-te Shang-dong mehr getrunken, als daß ich noch völlig nüchtern gewesen wäre, auch mag ich in Rechnung stellen, daß Frau Pao-leng das erste schöne weibliche Wesen war, das ich, seit der Mond zweimal gewechselt hat, aus der Nähe gesehen, auch kann es sein, daß die gewissen, seit dieser Zeit unbefriedigten Körpersäfte in mir – ein höchst natürlicher Vorgang – meine Sinne dahingehend beeinflußt haben, daß sie Dinge schärfer wahrgenommen haben, die sonst dezenter zu betrachten sind. Tatsache aber ist, daß die Dame Pao-leng ein Kleid trug, das schon mehrfach erwähnte weithinleuchtende Wellenkleid, das, obwohl den Körper bedeckend, in äußerst spannender Weise mehr enthüllte, als verbarg. Tatsache ist weiter, daß die Dame Pao-leng – nun: es war ein sehr warmer, fast heißer Sommerabend, der erste seit tagelangem Regen – kein Unterkleid trug und unter dem Kleid, wie ich mit wenig Anstrengung meiner Augen beobachten konnte, völlig nackt war.
    Ist es auf den

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