Brigade Dirlewanger
immer rührt sich nichts. Nur der Kampflärm von der Hauptstraße weht herüber. Die erste Kompanie verfolgt das Gemetzel von der Seitenloge aus und gewinnt Boden dabei.
Plötzlich fallen rechts Schüsse. Vonweghs Leute erwidern das Feuer, stürmen das Haus. Er hört die entmenschten Schreie der Frauen und Kinder, die wie zu einem Symptom dieser Tage werden. Meine Leute, denkt er und spürt die Versuchung, es Braun, dem Politischen, nachzutun. Vonwegh hatte seine Kompanie zu einem Instrument, zu einer Waffe erzogen, die ihm in dem Kessel von Minsk die Russen genommen hatten. Er mußte wieder von vorne anfangen. Da kam dieser Einsatz, für den er noch mitverantwortlich ist. »Sehen Sie nach, was los ist!« befiehlt er dem Gorilla und weiß in der nächsten Sekunde, daß er einen Fehler beging.
Brillmann starrt ihn von der Seite her an, geduckt, lauernd. Vonwegh glaubt in seinem Gesicht das heimliche Wissen zu erkennen und nickt. Du kommst nicht zurück, sagt er sich, ich erledige dich vorher, und spürt müde, daß er es nicht schaffen wird.
Der Feuerüberfall kommt ganz plötzlich. Das Haus, in dem sie plünderten, war eine Falle. Auch von der anderen Seite werden sie beschossen. Kordt sichert nach links. Vonwegh stürmt, gefolgt von Brillmann, auf einen Schuppen zu, reißt die Türe auf, durchsucht ihn, hört wieder Schreie, will herumfahren, sieht Brillmann nicht mehr, hat sich zu weit vorgewagt, ist allein in diesem Moment, fürchterlich allein, sieht, wie vor ihm die Welt in einem grellen Blitz platzt, bemerkt noch die langsam, wie in Zeitlupe herabprasselnden Balken und weiß, daß es aus ist, bevor es im Bruchteil einer Sekunde um ihn dunkel wird, Nacht …
Daß auch er nur mit Blut kocht, erkennt der SS-Oberführer Dr. Oskar Dirlewanger, Chef einer Brigade Schlachtvieh, widerwillig, als sein Durchbruchsversuch zum fünften Mal gescheitert ist. Links von ihm haben sich die Männer Vonweghs in Häuserkämpfe verbissen. Auf der anderen Seite nutzte Weise, der Bluthund, die Zeit auf seine Weise.
Dirlewanger schäumt vor Zorn, aber er tritt den Rückzug an, läßt sammeln. Er muß auf die Unterstützung schwerer Waffen warten, ob er will oder nicht. »Was ist mit Weise?« schreit er ungeduldig.
»Führt eine Säuberungsaktion durch«, meldet der Adjutant.
»Klingt gut«, antwortet der Mann mit der Krähenvisage versöhnt. »Und wo steckt Vonwegh?«
»Wie vom Erdboden verschwunden«, erwidert der Untersturmführer.
»Dann sucht ihn gefälligst!« entgegnet Dirlewanger. Er winkt seinen Burggendarmen zu. »Kommen Sie«, sagt er, »besuchen wir mal den lieben alten Weise …« Er grinst und stapft nach rechts. Einen Moment geht er aus der Deckung heraus. Ein paar Infanteriegeschosse heulen über seinen Kopf hinweg. Dirlewanger nickt geringschätzig.
Er erreicht den Hausflur, gefolgt von den anderen. Schreie und Schüsse zeigen ihm den Weg. Weise hat Verbindung mit der Brigade Kaminski, russischen Schwerverbrechern unter dem Kommando eines Überläufers, dessen Gräueltaten selbst dem SS-General von dem Bach-Zelewsky, Himmlers Alleinbeauftragten für die Niederschlagung des Warschauer Aufstands, so ungeheuerlich erscheinen werden, daß er ihn später an die Wand stellen läßt.
In der Wolska-Straße treiben sie die Polen wahllos aus der Mietskaserne. An die fünfhundert Personen betteln um ihr Leben, werden von der Fahrbahn gestoßen und beim Sowinski-Park gesammelt, getrennt nach Geschlechtern. Die ersten Salven werfen die Menschen gegen die Eisengitter. Unter ihnen die Familie Szlacheta, aus dem Haus Nummer 129: Vater, Mutter und vier Kinder.
Der nächste Feuerstoß schlägt die Mutter zu Boden. Sie liegt lebend zwischen Toten, hält in der Hand ihre jüngste Tochter, die sich noch bewegt. Über die Leichen hinweg trampeln die Mörder in den SS-Uniformen ohne Kragenspiegel, um niederzuknallen, was noch lebt. Die Mutter liegt mit dem Kopf auf einem Korb mit Nahrungsmitteln, die sie schnell zusammenraffte. Sie sieht, wie einer der B-Soldaten einer neben ihr Liegenden einen Fußtritt gibt, ein anderer an einen Kinderwagen herantritt und die einige Monate alten Zwillinge ihrer Nachbarin Jakubczky erschießt. Dazwischen hört sie das Stöhnen der Sterbenden. Nebenan, unter dem Standbild, werden die Bewohner des städtischen Hauses an der Elekcyjna-Straße liquidiert. Stunden später kommt wieder ein SS-Mann und gibt der verletzten Tochter den Fangschuss.
Am Abend liegen nur noch Tote vor dem Park, durch die
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