Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See

Titel: Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana L. Paxson
Vom Netzwerk:
zu reden!«, rief der Priester aus.
    »Tatsächlich?« Der Fürst trieb das Pferd durch die Menge, bis er über dem Geistlichen aufragte. »Mein Bruder und ich waren bereits in Gallien – in Sicherheit! Ihr habt uns nach Britannien zurückgerufen und versprochen, hinter uns zu stehen, wenn wir euch anführen. Und jetzt sind wir hier, und wenn wir beginnen, eine Furche zu pflügen, bringen wir die Arbeit auch zu Ende!« Er vollführte eine anrüchige Geste, die keinen Zweifel an ihrer Bedeutung ließ.
    Einige der Männer wirkten beschämt, andere hingegen bedachten den Reiter mit trotzigen Blicken.
    »Gott selbst hat dieses Land verflucht. Wer sind wir denn, dass wir gegen den Willen Gottes ankämpfen sollen?«
    Die Miene des Fürsten verfinsterte sich, wirkte verzweifelt. Wenn es schon nicht half, die Männer als Feiglinge zu beschimpfen, wie sollte er sie dann überzeugen? Merlin lächelte. Er hatte weder Aurelianus noch Uther je getroffen, doch dies musste der jüngere der beiden Brüder sein; denn es hieß, der Kaiser wäre ein feinfühliger Mann. Eine Tugend, die beide besaßen, war Energie. Vitalinus hatten sie bereits zur Strecke gebracht und in seinem Turm verbrannt.
    Dann wandte Uther sich um, und Merlin stockte der Atem, als eine Erinnerung das Gesicht mit einem anderen überlagerte, das er einst in einer Vision gesehen hatte, ein Gesicht mit Igraines blauen Augen.
    Dies war der Mann, der den Verteidiger zeugen würde.
    Merlin musterte ihn mit neuem Interesse und suchte in dem angenehmen Antlitz nach aussagekräftigen Zügen, nach einer Willensstärke, die dem mächtigen Leib geziemte. Er sah Ausdauer und Entschlossenheit; es war das Gesicht eines guten Anführers. Aber sprach daraus Größe? Er vermochte es nicht zu sagen, aber schließlich hatte er auch den Verrat in Hengests Herz nicht erkannt. Sein eigenes Urteilsvermögen hatte sich als unzulänglich erwiesen, und so konnte er nur auf die Götter vertrauen.
    »Gebt Gott meinetwegen die Schuld an den Stürmen, die eure Ernten vernichten, aber nicht an der Furcht, die euch fliehen lässt.« Merlin gestattete der Macht seiner Persönlichkeit, sich voll zu entfalten, sodass die Leute, die ihn nun erst bemerkten, den Eindruck bekamen, er wäre wie von Zauberhand urplötzlich unter ihnen aufgetaucht. Sogar Uthers Ross warf überrascht den Kopf hoch und musste gezügelt werden.
    »Rom hat euch beschützt, wie Eltern ein heranwachsendes Kind beschützen. Aber nun ist Mutter Rom alt und schwach geworden. Wollt ihr an ihrem Rockzipfel hängen, wenn sie sich selbst nicht mehr wehren kann, oder werdet ihr euch verteidigen wie Männer? Nach Gallien zu flüchten wird euch nicht retten – die Barbaren sind überall. Wenn ihr nicht zusammenhaltet, um sie hier zu bekämpfen, werdet ihr es später tun müssen, in einem fremden Land.«
    »Wer bist du denn, uns zu verurteilen?«, rief jemand.
    »Ich bin niemandes Sohn und niemandes Vater…«, hallte Merlins Stimme durch die Dunkelheit. »Ich bin ein Wolf in den Hügeln und ein Kitz auf der Wiese gewesen… ich steige mit dem Adler empor und durchwühle mit dem Keiler die Erde. Ich bin der Wilde Mann aus den Wäldern und der Seher Britanniens, und mein Geist verrät mir, was da kommen wird…«
    »Dann sag uns die Zukunft voraus!«
    »Wieso sollte ich prophezeien, was einfaches Nachdenken zu offenbaren vermag?«, fragte Merlin herablassend. »Die Geheimnisse des Himmels lassen sich nur dann lüften, wenn es unbedingt erforderlich ist. Gäbe ich sie zur Unterhaltung preis, wenn es gar nicht nötig ist, ließe mich der Geist, der mich beherrscht, im Augenblick wahrer Dringlichkeit im Stich.«
    Doch als er Luft holte, um fortzufahren, spürte er jene schwindelerregende Bewusstseinsveränderung, die ihm verriet, dass sein daimon erwachte. Dabei mussten seine Züge sich verändert haben, denn die Männer verharrten mit offenen Mündern, als Merlin das Wissen, das ihn überkam, in Worte kleidete.
    »Ihr tätet besser daran, die eigenen Herzen zu durchforsten, als mich zu befragen. Bekennt euch zu diesem winselnden Priester, solange ihr könnt, denn so viel ist mir zu sagen erlaubt – weder hier noch in Gallien könnt ihr eurem Schicksal entrinnen. Noch diese Nacht werdet ihr vor euren Gott treten!«
    »Du wagst es, uns zu verflu – «, setzte der Priester an, doch Merlins Geste ließ ihn verstummen.
    »Weder verfluche noch segne ich euch. Ich sage nur, was ich sehe.« Damit drehte er sich zu dem Fürsten um.
    Wutschnaubend

Weitere Kostenlose Bücher