Britannien-Zyklus 01 - Die Herrin vom See
historische Tatsache ansahen, über die Versdichtungen der Viktorianischen Epoche, die daraus eine politische Legende schufen, bis zu den historischen und fantastischen Romanen des 20.Jahrhunderts.
Die Entwicklung der Artus-Legende ist faszinierend, aber sie führt weg von der Frage, ob es wirklich ein historisches Vorbild für den legendären König gegeben hat. Nehmen wir nur jene Theorie, die das heutige Artus-Bild nachhaltig geprägt hat. Sie geht zurück auf R. G. Collingwood, Mitautor eines Standardwerks über das römische Britannien (Roman Britain and the English Settlements, mit J. N. L. Myres, 1937). Für ihn war Artus kein König, sondern ein General, der die Kavallerie aus der Spätzeit des Römischen Reiches wieder einführte. Zwar war die Reiterei damals in der Schlacht kaum einsetzbar, da die Pferde viel zu klein waren und zudem noch ohne Steigbügel geritten wurden, sodass man vom Pferderücken aus kaum effektiv kämpfen konnte. Der Vorteil könnte darin bestanden haben, dass die Reiter sich blitzartig im Lande hin und her bewegen konnten. Mit dieser mobilen Einsatztruppe habe Artus dem Land im Kampf gegen die eindringenden Germanen einen Aufschub verschafft, der dann später zu einer Zeit des Friedens verklärt wurde.
So bestechend dieses Szenario ist, so mangelt es doch an Beweisen dafür. Weder gibt es für die geschilderte Taktik im 5. Jahrhundert einen Beleg, noch findet sich eine einzelne Person, die jene Position des Anführers ausfüllt. Ein arthurisches Zeitalter ohne Arthur?
Artus-Forschung hat eine eigene Faszination, und sie kann den gesunden Menschenverstand trüben. Autoren, die versuchen, den historischen Nachweis der Existenz König Artus’ zu führen, errichten oft ein Gebäude, das nur in sich tragfähig, aber von außen letztlich nicht zu stützen ist. Die Hauptschwierigkeit liegt in dem Mangel an direkten Belegen aus jener Zeit.
Ein weiteres Problem ist, dass die Stücke in diesem Puzzle aus den verschiedensten wissenschaftlichen Disziplinen kommen: Archäologie, verschiedene Bereiche der Geschichts- und Religionswissenschaften, Keltologie, Philologie, etc. Kein ernst zu nehmender Wissenschaftler ist auf all diesen Gebieten kompetent, daher bleibt die Artus-Forschung meist den Amateuren überlassen.
Ein drittes Problem liegt in der Vieldeutigkeit der Quellen. Wenn ein mittelalterlicher Schreiber, meist in schlechtem Latein, einen Namen nennt, den er selbst nur mündlich oder bereits über andere Quellen erfahren hat, ist es oft eine Frage der Interpretation, wer wirklich gemeint ist. Zudem sind die Texte meist nur in späteren Abschriften erhalten, und Kopistenfehler waren häufig; außerdem sind diese Abschriften nicht textgetreu, sei es, weil der Schreiber Informationen aus anderen Quellen einfügte, die ihm wichtig erschienen, sei es aus politischen Gründen, um irgendwelche Ansprüche zu untermauern.
Doch die Faszination liegt nicht zuletzt in der Spurensuche. Daher wollen wir zunächst einen Blick auf die Situation im spätrömischen Britannien werfen, jene Epoche nach dem Abzug der Römer, die wegen ihres Mangels an verlässlichen Zeugnissen auch das Dunkle Zeitalter genannt wird.
Die Erben Roms
Das Römische Reich war zu jener Zeit in eine westliche und östliche Hälfte geteilt, die gewöhnlich jeweils von einem Augustus und einem unter ihm stehenden Caesar regiert wurden. Da Britannien als Grenzland relativ viele stehende Truppen aufwies, waren einige Feldherren, die sich zu Kaisern ausrufen ließen, von dort gekommen und meist nicht zurückgekehrt. Einer der berühmtesten von ihnen war Magnus Maximus gewesen, ein gebürtiger Spanier, dem die Waliser als »Macsen Wledig« in ihrem Nationalepos, dem Mabinogion, ein Denkmal gesetzt haben. Aber auch er hatte sich auf dem Kontinent nicht behaupten können.
Wie Maximus waren diese Usurpatoren meist Nichtitaliener; alle freien Männer waren Bürger des Römischen Reiches, verbunden durch die gemeinsame lateinische Sprache, die von Militär und Verwaltung wie auch von Händlern und Landbesitzern gesprochen wurde. In Britannien überlebte zudem das Brythonische, ein Vorläufer des späteren Walisischen, Kornischen und Bretonischen. Es bildet den einen Zweig der keltischen Sprachfamilie, das P-Keltisch, im Gegensatz zum irisch-gälischen Zweig, dem Q-Keltisch. Es wurde von der Unterschicht gesprochen, die den Großteil der ländlichen Bevölkerung bildete.
Britannien war seit über 300 Jahren ein Teil des
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