Britannien-Zyklus 03 - Die Herrin von Camelot
ihr den Dienst.
»Ich bin einer der Hüter Britanniens, und Ihr seid die Hochkönigin. Wo fehlt es denn, Gwendivar?«
»Warum nehmt Ihr an, dass die Schuld bei mir liegt? Fragt doch Artor!«
Merlin schüttelte den Kopf. »Die Macht geht vom Mann auf die Frau und von der Frau auf den Mann über. Ihr seid die Herrin Britanniens. Auch wenn die Schwierigkeiten von ihm ausgehen, muss die Heilung von Euch kommen.«
»Und wie ich das anstellen soll, kommt von Euch, nehme ich an? Ihr schmeichelt Euch selbst, alter Mann!« Damit drehte sie sich um und beobachtete ihn über die Schulter.
Im Licht des Mondes wirkte ihr Haar wie versilbert. Sogar Merlin, der sich in seinem ganzen Leben nur das Verlangen nach einer einzigen Sterblichen eingestanden hatte, spürte eine Regung. Aber er schüttelte den Kopf.
»Der Körper dient dem Geist«, entgegnete er ruhig. »Ich würde Euch auf geistiger Ebene unterweisen.«
»Sagt doch der Frau, die Artor verletzt hat, sie soll ihm helfen! Lasst ihn bei der Mutter seines Sohnes Heilung suchen! Vielleicht kann er dann zu mir kommen!«
Just in dem Augenblick, als Bestürzung ihn lähmte, setzte sie sich anmutig in Bewegung. Ein Wort der Macht hätte ihr sogar in dem Moment noch Einhalt gebieten können, aber zu jener Aufgabe, um die er sie bitten wollte, ließ der Geist sich nicht zwingen.
Igraine hatte dies vorhergesehen. Aber sie hatte nur das Kind, nicht die Mutter gesehen. Das Kind würde Krieg über Britannien bringen, die Mutter jedoch hatte bereits einen heftigen Schlag angebracht. Wer war sie? In einer Hinsicht, dachte er, hatte Gwendivar Recht. Er musste mit Artor sprechen.
Die Feste war für die Nacht verriegelt worden, doch der Dienst habende Wachmann am Nordtor war ein sehr junger Mann, zudem halb in seine Königin verliebt, und so ließ er sie durch. Sie alle sind in mich verliebt!, dachte Gwendivar verbittert. Alle außer dem einzigen Mann, den ich lieben darf.
Vor Hast beinahe stolpernd, bahnte sie sich einen Weg den Pfad hinab zur Quelle. Eine fahle Gestalt schwirrte über den Pfad; Gwendivar erschrak und wäre um ein Haar gestürzt. Kurz starrte sie furchtsam, mit pochendem Herzen in die Finsternis, dann entspannte sie sich, da sie erkannte, dass es sich lediglich um eine weiße Eule handelte. In solchen Nächten, wenn der Himmel klar war und der Vollmond im Triumph über das Firmament wanderte, fühlte sie sich innerhalb der Mauern wie erdrückt. Sogar Julias Arme waren ein Gefängnis, in dem sie unter dem Gewicht des Verlangens der anderen Frau zu ersticken drohte.
Gwendivar hatte gedacht, ein Spaziergang auf den Mauern würde ihrem Geist gestatten, frei wie ein Vogel aufzusteigen, doch Merlin war vor ihr da gewesen. Was hatte sie zu ihm gesagt? Gewiss musste er, der über alles im Bilde war, auch über Artor Bescheid gewusst haben. Der alte Hexer hatte ihr Hilfe angeboten – eine Weile überlegte sie, ob sie eine Närrin gewesen war, vor ihm davonzulaufen.
Aber wie konnte eine Veränderung in ihr etwas bewirken? Die Sünde war auf Artors Seite, falls es eine Sünde war – was er jedenfalls zu glauben schien. Er hatte noch zweimal nach jenem fürchterlichen Reinfall versucht, ihr ein Gemahl zu sein, beide Male mit noch weniger Erfolg als in der Hochzeitsnacht. Danach hatten sie es aufgegeben. Zwar war er nett zu ihr und behandelte sie in der Öffentlichkeit mit allen Ehren, aber im Bett, das die Amme und das Herz ihrer Ehe hätte sein sollen, schliefen sie, ohne einander zu berühren, wobei die gegenseitige Nähe ihnen nur noch mehr Einsamkeit vermittelte.
Gwendivar kannte diesen Pfad gut, doch sie war noch nie in der Nacht hier gewesen. Im düsteren Licht wirkten die vertrauten Formen der unteren Bollwerke wie eingerollte Schlangen. Über dem traurigen Ruf der Eule hörte sie die süße Musik von fließendem Wasser. Überall sonst waren die Bäume gefällt worden, um ein Feuerfeld um die Mauern der Feste zu schaffen, doch auf halbem Weg den Hügel hinab scharten sich immer noch schützend Bäume um die Quelle.
Gwendivar hatte den Hügel nie aufgesucht, bis Artor hier mit dem Bau seiner Feste begann, aber die Menschen aus den Gebieten ihres Vaters wussten zahlreiche Geschichten über jene Tage zu erzählen, als er noch ein Pilgerort war. Nachdem die Herrscher von Lindinis sich dem christlichen Glauben zugewandt hatten, hörten sie auf, für den Schrein zu sorgen, und nachdem dessen letzter Priester gestorben war, begann das rechteckige Bauwerk mit der breiten
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