Britannien-Zyklus 03 - Die Herrin von Camelot
»Ich werde noch verrückt, wenn ich nicht ein wenig Bewegung bekomme. Mittlerweile ist der Feind sicher weit vor uns!«
Cau wirkte zwar immer noch unschlüssig, aber ihn und seine Männer entmutigte die Untätigkeit genauso sehr wie Gwendivar. Sie unterdrückte ein Lächeln, da sie – noch bevor er sprach – wusste, dass er zustimmen würde.
Nach dem Gestank und Rauch der Hütte war es einfach himmlisch, draußen an der frischen Luft zu sein. Als das Grasland sich anzusteigen begann, saßen sie ab, und Gwendivar schlenderte über die Wiese, um nützliche Kräuter zu suchen, während Cau ihr mit einem Korb folgte und die anderen Männer, verschmitzt in die Barte grinsend, auf den Pferden hockten.
Gwendivar stellte sicher, dass sie zwischen den Gräsern genug Kräuter fand, um den Ausritt zu rechtfertigen. Sie pflückte die fünfblättrigen Blüten des Frauenmantels und die gemeine Brunelle mit ihren purpurnen Trompeten, die sich beide zum Reinigen von Wunden eigneten. Als sie weiterwanderte, erblickte sie die cremefarbenen Blüten und zahnförmigen Blätter der gemeinen Waldrebe, aus deren Rinde sich ein wirkungsvoller Aufguss zur Fiebersenkung herstellen ließ, und Tausendgüldenkraut, ebenfalls gut gegen Fieber, außerdem zur Linderung von Magenbeschwerden und zur allgemeinen Kräftigung des Körpers. Auch Purgier-Lein wanderte in den Korb und wilder Majoran, um wunde Muskeln damit zu baden und Blutergüsse zu mildern.
Es war ein hartes, von Meereswinden gepeitschtes Land. Im Überfluss wuchsen die nützlichen Pflanzen zwar nirgends, dennoch hatten sie den Korb gegen Mitte des Nachmittags beinahe gefüllt. Die Männer hatten sich eine Rast verdient, und Gwendivar führte sie zum melodischen Plätschern des Wassers, das sich aus einer kleinen Bergschlucht ergoss. Der Bach selbst verbarg sich hinter einer Einfriedung aus Hasel- und Dornbüschen und ein paar verkümmerten Birken, doch nach dem langen Umherwandern war der feuchte Hauch äußerst wohltuend.
Sie wollte Cau gerade auftragen, das Brot und den Käse aus ihren Satteltaschen zu holen, als ein gellender Schrei und heftiges Knacken im Gebüsch sie herumwirbeln ließ. Männer mit gezückten Speeren stürzten daraus hervor. Es mussten an die fünfzig sein, denen sich das Dutzend der Leibwache der Königin gegenübersah. Ihre Begleiter traten die Rösser in Bewegung, um den Angreifern entgegenzustürzen, doch das Gelände war steil und uneben; zwei Pferde fielen, die anderen bäumten sich auf, als Männer auf sie zurannten.
»Selenn! Lauf! Hol Hilfe«, rief Cau. Der Letzte der Reiter zügelte das Pferd, während die Angreifer die Übrigen umzingelten und mit den Speeren auf sie einstachen. Einen Lidschlag später riss er den Kopf des Rosses herum und galoppierte den Hang hinab.
Cau ergriff Gwendivars Arm, zog sie zu Boden und baute sich mit gezogenem Schwert über ihr auf. Ein Feind kam ihr zu nah, weshalb ihn ein Hieb der Klinge fällte, doch ein Wort des Anführers lenkte die Übrigen auf den Rest der Leibwache. Wenig später waren die Männer der Königin tot oder gefangen, sie selbst und ihr Beschützer von gezückten Speeren umringt. Gwendivar rappelte sich auf die Beine und streckte trotzig das Kinn vor.
»Leg die Klinge jetzt nieder, dann geschieht euch nichts«, forderte der Anführer Cau auf. Natürlich sprach er mit irischem Akzent – dass es sich um Iren handelte, war Gwendivar bereits klar gewesen, als sie die Jacken und Hosen aus gepolstertem Leder gesehen hatte.
»Artor wird mich töten…«, stammelte Cau, als er das Schwert senkte.
Gwendivar schüttelte den Kopf. »Es war mein Wille, somit auch meine Verantwortung.«
Der feindliche Anführer trat einen raschen Schritt vor, ergriff die Waffe und reichte sie einem seiner Männer. Er zog zwei Lederriemen vom Gürtel und fesselte zunächst Caus, danach Gwendivars Hände.
»Kommt jetzt, wir haben einen weiten Weg vor uns.«
»Ihr seid wahnsinnig«, sprach die Königin. »Lasst uns frei, dann hetzt Artor euch vielleicht nicht zu Tode.«
»Fürstin, wollt Ihr etwa unsere Gastfreundschaft ablehnen?« Abwägend musterte er sie. »Ich glaube, Euer König wird üppig bezahlen, um Euch zurückzuerhalten.«
Einer der Speere schwenkte zielstrebig auf Caus Rücken. Das Grinsen des Kriegers verriet Gwendivar, dass er nicht zögern würde, seinen Gefangenen zu durchbohren. In dem Wissen, dass Cau ihr folgen musste, setzte die Königin sich in Bewegung.
»Mir selbst, Melguas, Sohn des Ciaran,
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