Britannien-Zyklus 03 - Die Herrin von Camelot
den sie ihm bei seiner Ankunft eingeflößt hatte, es allmählich senkte. Sobald er sich ein wenig ausgeruht hatte, würden sie die Wunde säubern und mit einem Knoblauch-Wickel versehen müssen, um die Entzündung zu bekämpfen. Als sähe er den Schmerz voraus, zuckte Artor unentwegt und murmelte etwas vor sich hin. Igraine beugte sich dichter zu ihm, um ihn zu verstehen.
»Gwendivar… so wunderschön…« Das er den Namen seiner Frau rief, war nur zu erwarten gewesen, doch weshalb sprach solche Pein aus seinen Worten? »Hat er sie berührt? Hat er… Ich habe kein Recht dazu! Es war meine Sünde…«
Mit gerunzelten Augenbrauen tauchte Igraine das Tuch in das Becken mit kühlem Wasser und legte es ihm wieder auf die Stirn. Sie wusste, dass Artor von jenem Iren verwundet worden war, der die Königin entführt hatte, aber Gwendivar schwor, ihr wäre kein Leid angetan worden. Wieso stammelte er im Fieberschlaf von Sünde?
»Ganz ruhig, mein Kind…«, murmelte sie. »Jetzt ist ja alles vorbei, und hier bist du in Sicherheit…«
Stöhnend schüttelte er den Kopf, als hätten die Worte seiner Mutter ihn selbst in seinem Fieberwahn erreicht. »Sie hat mir gesagt… ich hätte einen Sohn…«
Mit geweiteten Augen lehnte Igraine sich zurück. »Wer, Artor?« Ihre Stimme erkaltete. »Wessen Sohn?«
»Morgause…«, lautete die Antwort. »Wieso sollte sie mich hassen? Ich wusste es doch nicht…«
»Es ist alles gut… es war nicht deine Sünde…«, beschwichtigte ihn Igraine, doch ihr Verstand raste, als sie sich eines trotzigen, rothaarigen Knabens besann, der auf dem Gartenweg Kiesel aufsammelte. Sie hatte vermutet, die Familienähnlichkeit stamme allein von Morgause – doch was, wenn Medrod ein doppeltes Erbe hatte?
Kein Wunder, dass Artor im Fieberwahn lag, wenn dieses Wissen in seinem Gedächtnis schwelte. Es würde nicht reichen, sich seines wunden Körpers anzunehmen – sie musste auch seine Seele heilen.
Der See war ausgesprochen schön, dachte Gwendivar, besonders jetzt, da der Widerschein der ersten herbstlich verfärbten Blätter golden und rostrot auf dem Wasser tänzelte und die goldbraunen Hügel die kahlen Schultern in einen nach tagelangem Regen klaren Himmel streckten. Doch nach einer Woche auf der Insel mit den Priesterinnen fühlte sie sich ebenso gefangen wie zuvor bei der Armee. Gwalchmai, der mit den anderen Männern auf der Wiese an der Landungsstelle gegenüber der Insel lagerte, hatte gesagt, er würde sie mit Freuden auf einem Spaziergang entlang des Ufers begleiten.
»Sollten wir angegriffen werden«, meinte sie verbittert, »dann lass die Feinde mich nehmen. Ich bin es nicht wert, dass die Leben weiterer braver Männer für mich herhalten müssen.«
Während des langen Ritts in den Norden hatte niemand sie beschuldigt, niemand sie verdächtigt, in Melguas Armen gelegen zu haben. Durch die Mühen der Reise wäre es ihr beinahe gelungen, den Vorfall selbst zu vergessen.
Nun aber, da sie nichts zu tun hatte, suchte die Erinnerung sie heim.
»Herrin! So etwas dürft Ihr nicht sagen. Ihr seid die Königin!« In Gwalchmais Stimme schwang echter Schmerz.
Gwendivar schüttelte den Kopf. »Igraine ist die Königin. Auf dem Weg nach Norden hätte Artor mich gebraucht, aber ich besitze weder das Wissen noch die Magie, um ihm zu helfen.«
»Ebenso wenig wie ich, Gwendivar – ich gäbe mein Herzensblut, würde es ihn heilen, aber ich bin außerstande, gegen den Feind zu kämpfen, mit dem er ficht.« Gwalchmais breite Schultern sackten herab.
Der Kummer in seiner Stimme linderte ihren eigenen Schmerz ein wenig. Tief sog sie den würzigen Duft des Laubs ein, atmete ihn in einem langen Seufzer aus und spürte, wie die Spannung aus ihr wich. Bei jedem Schritt raschelte Laub, in den Bäumen quietschten Eichhörnchen einander zu.
»Aber du kämpfst gegen seine anderen Feinde«, meinte sie alsbald. »Du bist das Bollwerk seines Throns.«
»Mehr ersehne ich mir auch gar nicht. Auf dem Schlachtfeld bin ich glücklicher als in der Ratshalle. Müsste ich mich mit dem Gezänk der Fürsten herumschlagen, würde ich wohl binnen eines Jahres die Geduld verlieren und das Land in einen Bürgerkrieg stürzen.«
Seine Stimme hatte einen vergnügteren Klang angenommen, und Gwendivar lachte.
»Gewiss wird die Herrin vom See den König heilen und mir die Versuchung ersparen«, meinte er schließlich. »Sie ist eine weise Frau. Und sie hat eingewilligt, meine Tochter als eine ihrer Maiden hier
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