Britannien-Zyklus 04 - Die Herrin der Insel
närrisches Unterfangen ein…« Gai tauschte ein wehmütiges Lächeln mit dem König.
»War ich denn so schlimm?«, fragte Artor.
»Erinnerst du dich noch an den Esel des Müllers?«
Artors Grinsen zog sich über das ganze Gesicht.
»Was hat er denn gemacht?«, erkundigte Goriat sich mit ehrfürchtiger Stimme.
»Er hat den Esel an einen Dreschflegel gebunden.«
»Es hätte durchaus klappen können«, begehrte der König auf. »Schließlich verwenden wir auch Ochsen, um Korn zu mahlen.«
»Was ist dann passiert?«, beharrte Goriat, den es offensichtlich entzückte, in diese geheime Geschichte eingeweiht zu werden.
»Der Esel fraß das Korn auf, und sowohl Artor als auch ich erhielten eine Tracht Prügel. Man war der Meinung, ich hätte ihn aufhalten müssen, doch ich wusste schon damals, wie nutzlos jeder Versuch war, Artors Meinung ändern zu wollen, wenn er diesen Blick in den Augen hat«, erwiderte Gai schicksalsergeben.
»Trotzdem habe ich etwas daraus gelernt…«, fuhr Artor nach einer Weile fort. »Tiere und Menschen müssen in jene Richtung gelenkt werden, in die ihr Wesen sie zwingt. Meiner Ansicht nach sind die Pikten bereit für den Frieden. Ich wehre mich entschieden dagegen zu glauben, ich hätte mich so sehr an das Kämpfen gewöhnt, dass ich mich danach sehne wie ein Trunkenbold nach Wein! Außerdem, nur für den Fall, dass Gai Recht haben sollte, gibt es da jemanden, den in Gefahr zu bringen mir nicht zusteht – « Er spähte die Kolonne rückwärts hinunter und suchte nach dem Schimmer von Ceawlins rotem Haar.
»Goriat, reite die Kolonne zurück und bring Cynrics Balg hierher zu mir.«
»Und das ist ein weiteres Wagnis…«, murmelte Gai, als der jüngere Mann lospreschte.
»Das Kind ist neun Jahre alt! Fürchtest du etwa, der Knabe könnte mich angreifen?«, ereiferte sich Artor.
»Er ist ein Fuchswelpe. Ich fürchte vielmehr, dass du ihn lieb gewinnst und dann verletzt bist, wenn er zu seiner wilden Verwandtschaft zurückkehrt.«
Artor presste die Kiefer aufeinander und besann sich des Vorfalls, auf den Gai anspielte. Er war dankbar, dass sein Stiefbruder Oesc nicht erwähnt hatte, den er ebenfalls zu seiner Geisel gemacht, innig geliebt und am Mons Badonicus gezwungenermaßen getötet hatte. Oescs kleiner Sohn musste inzwischen acht Jahre alt sein.
Er schüttelte die Erinnerung ab, als Goriat zurückkehrte. Das stirnrunzelnde Kind trat seinem Pony in die Flanken, um mit Goriat Schritt zu halten. Ungeachtet des sächsischen Namens besaß Ceawlin das Aussehen des Königshauses der Belgae, dem sein Großvater Ceredic entstammte.
Unser Blut vermischt sich bereits, dachte Artor. Wie lange noch, bis wir auch im Geiste vereint sind? Abermals rief er sich jenen anderen kleinen Jungen ins Gedächtnis, Oescs Sohn, dessen Mutter Britin und ebenfalls von königlichem Blut war.
»Genießt du die Reise?«
Kurz hoben sich die grauen Augen, dann richtete Ceawlin den Blick wieder auf die Straße.
»Mittlerweile kennst du mehr von Britannien als jeder andere Junge bei dir zu Hause.« Artor sah, wie die in Falten geworfene Stirn sich zu entspannen begann, und verbarg ein Lächeln. »Aber womöglich vermisst du die südlichen Lande. Ich habe vor, dich nach Camelot zu schicken, wo du unter der Obhut meiner Königin stehen wirst.«
»Hat sie auch einen kleinen Jungen?«
Artor zuckte zusammen, kurzzeitig überrascht darüber, welchen Schmerz die Frage ihm bereitete. Doch Ceawlin konnte unmöglich wissen, dass er ins Schwarze getroffen, geschweige denn einen äußerst wunden Punkt berührt hatte. Könnte Gwendivar den Fuchswelpen lieben, den er ihr sandte? Oder würde sie insgeheim weinen, weil ihr Gemahl außerstande gewesen war, sie mit einem Kind zu segnen?
Goriat erzählte dem Knaben von Camelot, wo die Kinder der Leute, die kochten, das Vieh hüteten und Wache hielten, lachend die Mauern entlangrannten. Außerdem brachten die Fürsten und Häuptlinge ihre Söhne mit, wenn sie auf Besuch kamen, doch sie waren allesamt Briten. Oesc hatte zumindest Cunorix und Bediver als Gefährten gehabt.
»Vielleicht holen wir Eormenric aus Cantuwara, um dir Gesellschaft zu leisten«, schlug Artor vor. »Würde dir das gefallen?«
Ceawlin nickte. »Sein Vater war der Verbündete meines Großvaters.«
Gai zog eine Augenbraue hoch. Dieser Welpe würde nicht einfach zu zähmen sein.
Eormenric war von seiner Mutter zu Artors Freund erzogen worden. Dennoch brauchte er auch Freunde unter den Sachsen, und
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