Brixton Hill: Roman (German Edition)
wartete.
Em in irgendeinem Sainsbury’s vor dem Regal mit den Sandwiches.
Em mit ein paar Leuten von ihrer letzten Produktion in einem Pub in Islington.
Er musste ihr durch die ganze Stadt gefolgt sein. Und bis nach Brighton. Überallhin. Er hatte es geschafft, Em so zu fotografieren, als wäre sie allein in dem Seebad. Der Mann, mit dem sie sich getroffen hatte, tauchte auf den Fotos nicht auf. Sie war sich trotzdem sicher, dass er auch ihn fotografiert hatte. Es gab Fotos von ihr mit Kimmy. Sie saßen in einem dieser überteuerten Restaurants auf der Isle of Dogs und lachten. Em wusste sogar noch genau, worüber. Dann sah sie die Fotos von Eric. Sie waren am unteren Ende der Schranktür, teilweise verdeckt von anderen Fotos. Eric, wie er aus der Kanzlei in der Fleet Street kam. Eric mit Em, wie sie gemeinsam nach Hause gingen. Wann war das gewesen? Im Januar? Schneeflocken stoben durch die Luft. Sie trugen beide Daunenjacken und Mützen und sahen trotzdem aus, als würden sie frieren. Aber sie sahen auch aus, als würden sie sich gut verstehen. Ganz wie Geschwister.
Em erinnerte sich an diesen Tag, diesen Abend. Sie war gerade aus der U-Bahn gekommen und beim Überqueren der Straße Eric begegnet.
»Wo kommst du denn her?«, hatte sie ihn gefragt. Normalerweise parkte er in der Tiefgarage und fuhr von dort mit dem Aufzug direkt nach oben.
»Ich musste das Auto stehen lassen. Bin mit dem Taxi gekommen.« Er deutete mit dem Daumen über die Schulter, wo ein mit dem Union Jack lackiertes Taxi die schneebedeckte Straße entlangschlich.
»Wolltest du nicht fahren bei dem Wetter?«
»Das auch. Wir haben in der Kanzlei einen Kollegen verabschiedet, er geht nach Kanada. Es gab Sekt.«
»Oooh, du wirst doch nicht etwa davon genippt haben?« Em grinste breit. Sie wusste nie, wie er reagieren würde, wenn sie ihn aufzog. Manchmal wurde er sauer. Diesmal lachte er mit. Vielleicht, weil er mehr als nur am Sekt genippt hatte.
»Und wo kommst du her?«, fragte er.
»Langweiliger Probedurchlauf für langweilige Filmpremiere.«
»Wie, du machst langweilige Veranstaltungen?«
Sie seufzte. »Auch ich muss Dinge für Geld tun. Der Kunde will etwas ganz schrecklich Langweiliges. Er hat es sich nicht ausreden lassen. Ein steifer Stehempfang vor dem Film, und ein steifer Stehempfang nach dem Film, nur in einer anderen Location.«
»Lass dir was einfallen, um die Sache heimlich aufzurüschen«, sagte Eric.
»Genau das hab ich vor.«
Sie hatten weitergeplaudert, bis sie in der Wohnung angekommen waren, sie hatten sogar noch ein Glas Wein zusammen getrunken. Es war ein besonderer, ein schöner Abend mit ihrem Zwillingsbruder gewesen.
Em berührte Erics Gesicht auf dem Foto. Es war nur mit Blu-Tack befestigt, wie die anderen. Vorsichtig löste sie es ab, um es mitzunehmen. Ein anderes fiel zu Boden. Em hob es auf und musste sich aufs Bett setzen.
Sie hielt den Beweis in den Händen, dass Alan sehr wohl etwas mit dem Anschlag auf den Limeharbour Tower zu tun gehabt hatte. Das Foto war aufgenommen worden, kurz bevor Em das Gebäude betreten hatte. Alan war die ganze Zeit dort gewesen. Noch bevor sie angekommen war.
Unwillkürlich drehte sie sich um, so als müsste sie sich noch einmal versichern, allein im Raum zu sein.
Sie sah sich das Foto genau an. Auf der Rückseite hatte Alan Ort, Datum und Uhrzeit vermerkt. Sie sah auf dem Foto von Eric und ihr nach: Auch dort standen die genauen Angaben. Em ging zurück zum Schrank und riss alle Fotos ab, drehte einzelne um, versuchte den Wahnsinn, der sich vor ihr ausbreitete, zu ertragen.
Alan war besser über ihr Leben informiert gewesen als jeder andere. Er hatte sozusagen für sie Tagebuch geführt. Der Anschlag auf den Limeharbour Tower hatte wahrscheinlich eine Warnung sein sollen, damit sie wusste, wozu er fähig war. Er hatte nicht ahnen können, dass Kimmy durchdrehen würde.
Aber dann, der zweite Anschlag: Hatte es wieder eine Warnung sein sollen? War Eric, wie Kimmy, ein ungeplantes Opfer? Oder hatte er Em töten wollen?
Dann dachte Em: Vielleicht hatte Alan von Anfang an vorgehabt, ihren Bruder umzubringen. Damit sie ohne ihn dastand, damit sie litt.
Sie sah auf die Fotos, die zerstreut auf dem Boden lagen. Auf die Kleidungsstücke, die aus dem Schrank gerissen worden waren. Nichts davon wollte sie mehr sehen. Sie stand auf und schaltete das Licht an ihrem Handy aus.
Fast gleichzeitig hörte sie ein Geräusch. Sie lauschte konzentriert. Aber es war nichts mehr zu
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