Brixton Hill: Roman (German Edition)
kann jetzt nicht einfach weg, und du kannst es nicht selbst machen. Ich schick dir eine SMS mit der Nummer. Sag mir, unter welchem Namen sie abgespeichert ist.«
»Brauchst du nicht meine PIN oder so was?«
Samir sah sie todernst an. »Willst du mich beleidigen?« Dann lachte er. »Gib mir einfach den Namen.«
»Alex Hanford.«
»Läuft.«
Hinter Em hatte sich bereits eine kleine Schlange gebildet. Sie nickte Samir dankbar zu und ging. Frank saß nun schon seit einer halben Stunde im Samuel Pepys und aß mit Robert Pizza.
Weil sie davon ausging, dass Frank später zu Fuß an der Themse entlang nach Hause gehen würde, beschloss sie, ihn dort abzupassen. Robert hasste nichts mehr als Spaziergänge, er hielt sie für unrentabel, reine Zeitverschwendung. Sie musste sich also keine Sorgen darüber machen, dass die beiden noch einen gemeinsamen Verdauungsgang am Wasser unternehmen würden.
Es war kurz nach halb neun, als Em bei Samir losging. Eine gute Dreiviertelstunde später stand sie in der engen, dunklen Gasse vor dem Restauranteingang und wartete. Sie hatte sich unterwegs Zigaretten gekauft. Jetzt zündete sie sich eine an.
»Schrecklich voll heute«, sagte ein älterer Herr, der gerade aus der Tür trat und umständlich eine Zigarette aus der zerknautschten Packung schüttelte.
»Ich war noch nicht drin«, sagte Em. »Ich bin ein bisschen zu früh dran.«
»Oh. Ich weiß nicht, ob Sie einen Platz finden. Haben Sie reserviert?«
Sie nickte und log: »Mein Vater ist schon drin. Aber er redet noch mit jemandem. Geschäfte. Ich soll erst später nachkommen. Auf einen Drink.«
»Das ist gut. Dann hat er schon einen Platz.« Endlich hatte der Mann eine Zigarette zu fassen bekommen. Er steckte sie sich in den Mund und suchte nun ähnlich umständlich nach Feuer. Em reichte ihm ihr Feuerzeug. »Danke«, nuschelte er.
»Wo sitzen Sie denn? Vielleicht haben Sie ihn ja gesehen. Er sitzt gern oben am Fenster. Mitte sechzig, hat seltsame Ähnlichkeit mit David Cameron. Da legt er großen Wert drauf. Sein … Geschäftspartner ist so ein großer, schlanker Typ, dasselbe Alter, versucht aber, jünger zu wirken, etwas zu dunkle Haare für Mitte sechzig, schwitzt Oxford aus jeder Pore.«
»Aaah. Gute Beschreibung. Sie wissen, wie man Menschen dazu bringt, sich an jemanden zu erinnern.«
Em lachte. »Wirklich?«
»Normalerweise beschreiben die Leute nur Äußerlichkeiten. Aber Sie beschreiben Typen. Also, ja, die beiden sind da. Unterhalten sich prächtig. Sitzen allerdings an einem kleinen Tisch.«
Em winkte ab. »Ja, deshalb soll ich warten, bis sie fertig sind. Ich komme dann sozusagen als Ablösung. Und Sie? Sind Sie wegen der Aussicht oder wegen der Pizza hier?«
Der alte Mann blies mit einem langen Seufzer Rauch aus. »Familienfeier. Meine Enkeltochter wird achtzehn. Am Wochenende gibt es eine große Party für ihre Freunde, aber heute ist es nur die Familie. Sie werden so schnell groß …« Er schnippte Asche von seiner Zigarette. »Sie haben wahrscheinlich noch keine Kinder, was?«
»Nein.«
Die Tür ging auf, und ein kleines Grüppchen gesellte sich zu ihnen, um ebenfalls zu rauchen.
»Was haben Sie mit Ihrer Hand gemacht? Sieht schlimm aus«, sagte der Alte.
Em hatte den Verband selbst gewechselt. Er war voll mit Tobs’ Blut gewesen. »Ach, bisschen herumgewerkelt und mit dem Hammer ausgerutscht«, sagte sie. »Morgen geh ich damit mal zum Arzt.«
»Die jungen Frauen, machen alles selbst«, lachte der Alte.
» Ich geh mir noch mal ’ne Runde Beine vertreten«, sag te Em freundlich. »Dann noch viel Spaß beim Feiern.«
»Danke. Soll ich Ihrem alten Herrn sagen, dass Sie schon warten?«
»Oh, auf keinen Fall. Er hasst es, wenn er das Gefühl hat, dass man ihn drängt.« Sie nickte ihrer Rauchbekanntschaft freundlich zu und ging die Gasse hinunter.
Zu viele Menschen, die Zeit hatten, sie anzustarren. Um diese Zeit konnte sie keine Sonnenbrille mehr tragen, nicht in einem normalen Restaurant. In der U-Bahn und auf der Straße kümmerte sich niemand darum. Hier schon. Sie hatte zu große Angst davor, erkannt zu werden. Und wenn es nur ein »Sie sehen ja so ähnlich aus wie«-Moment war. Es war zu gefährlich. Jays Strickmütze half sicherlich, weil viele Menschen auf Haarfarbe und Frisur achteten. Aber was war schon sicher.
Wenigstens wusste sie jetzt, dass Frank immer noch dort war. Sie entschied sich dafür, runter zum Themse-Fußweg zu gehen und sich auf eine Bank zu setzen. Das war
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