Brixton Hill: Roman (German Edition)
loszuwerden? Keine Ahnung. Sag du’s mir.«
Er sah sich nervös um. »Em! Das ist doch Unsinn. Warum sollte dir irgendjemand etwas antun wollen?« Er lachte. Es klang wie ein Kreischen.
Em trat einen Schritt von ihm zurück. »Weil ich erbe?«
»Wieso? Von Eric? Oder …« Dann verstand er, langsam sickerte es in sein Bewusstsein. Seine Stimme änderte sich. Sie war jetzt tiefer und leiser, und jede Andeutung seines deutschen Akzents war wieder verschwunden. »Ach so. Wenn Patricia stirbt. Und da denkst du, ich hätte nichts Besseres zu tun, als schon mal vorzusorgen und deinen Bruder und dich …« Der Klang seiner Worte verlor sich, und er dachte einen Moment nach. Dann sagte er: »Hörst du dir da eigentlich noch zu? Ihr seid meine Familie. Ich hab euch aufwachsen sehen! Ich könnte euch doch nie …« Er strich sich mit beiden Händen übers Gesicht, drehte den Kopf erst in die eine, dann in die andere Richtung, wie um nach Bestätigung zu suchen für das, was er gesagt hatte. Dann sah er Em mit einem Flehen im Blick an und streckte die Arme nach ihr aus. »Emma, Liebes, das kannst du nicht wirklich glauben.«
Sie wich seiner Umarmung aus. Aber sie wusste tatsächlich nicht, was sie glauben sollte. War Frank wirklich der nette Onkel, der sich in seiner Rolle, immer in Katherines Schatten zu stehen, immer die zweite Geige zu spielen, ganz wohlfühlte? Oder hatte sich da über die Jahre und Jahrzehnte etwas angestaut? Neid und Missgunst auf die reiche Schwiegerfamilie? Der Wunsch, endlich etwas Eigenes zu haben? Selbst zu Geld zu kommen? Und sich im nächsten Schritt das gesamte Erbe zu sichern, statt lediglich der Hälfte?
»Was ist das mit Braidlux?«, fragte sie.
Ein tiefer Seufzer. »Das war Roberts Idee. Vor ein paar Jahren. Er brauchte noch jemanden, der mit einstieg, um insgesamt auf über fünfzig Prozent zu kommen. Ich bin da nur … stiller Teilhaber. Das existiert einfach nur auf dem Papier. Ich spiele da überhaupt keine Rolle. Reine Formsache.«
»Ach so. Na dann.«
»Ich wusste, dass du das verstehst.« Er klang tatsächlich erleichtert.
»Glaubst du wirklich, dass ich dir das abnehme? Braidlux fährt riesige Gewinne ein. Ich hab mir die Börsenkurse angesehen. Und du willst mir erzählen, dass du davon nicht profitierst? Was machst du mit dem ganzen Geld? Hungerleidenden Kindern in Afrika spenden?«
»Aber das sind doch nur Geschäfte!« Frank wischte sich Schweiß von der Stirn.
»So was passt gar nicht zu dir. Hab ich recht?«
»Wie meinst du?«
»Diese zwielichtigen Geschäfte. Robert traue ich das sofort zu. Aber dir?«
Frank hielt ihren Blick nicht aus. Er zog den Kopf ein und starrte missmutig auf den Boden.
»Ich hab also recht. Robert hat dich da reingeredet, und jetzt kommst du aus der Nummer nicht mehr raus? Was ist los, Frank? Das ist doch noch nicht alles, oder?«
Als er den Kopf hob und sie ansah, wusste sie, dass sie nichts aus ihm herausbekommen würde. Er wirkte wie ein trotziger Junge, entschlossen, sein Geheimnis für sich zu behalten. »Was willst du jetzt? Zu Patricia gehen? Damit sie mich rausschmeißt? Das kannst du Katherine nicht antun. Sie würde dir das nie verzeihen.«
Em hob kapitulierend die Hände. »Nein. Natürlich nicht. Ich will nur verstehen, was gerade passiert. Frank, irgendjemand ist hinter mir her.«
»Unsinn«, murmelte er stur. »Ich sag dir, das war dieser Typ, der jetzt tot ist. Der kann dir nichts mehr tun.«
»Er hat sich wohl kaum selbst umgebracht.«
»Wahrscheinlich ist der einfach nur überfallen worden, und sein Tod hat gar nichts damit zu tun. Niemand ist hinter dir her!«
Kurz dachte sie daran, ihm alles zu erzählen, was sie wusste, aber etwas hielt sie davon ab. Sie sagte nur: »Ich sehe das ein bisschen anders.«
»Hör zu. Du kommst jetzt einfach mit nach Hause. Dann reden wir in Ruhe mit der Polizei, natürlich wird unser Anwalt dabei sein, und schon ist die Sache aus der Welt. Wirklich, Em. Wir kriegen das hin. Aber sich zu verstecken, das ist keine Lösung. Du musst doch irgendwann wieder ein normales Leben führen. Und Patricia macht sich große Sorgen.«
Sie musterte ihren Onkel, diesmal mit mehr Distanz, als sie je in ihrem Leben zu ihm gehabt hatte: Der maßgeschneiderte Anzug schien ihn zu verschlucken. Die Krawatte war verrutscht. Das getönte Haar war in Unordnung geraten und wirkte wie ein schlecht sitzendes Toupet. Im Zwielicht sah er sehr viel älter aus, als er war. Aber sie wusste nicht, ob er ihr leidtat
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