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Brixton Hill: Roman (German Edition)

Brixton Hill: Roman (German Edition)

Titel: Brixton Hill: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Zoë Beck
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nicht weg. Er war immer noch dort und suchte wahrscheinlich mit den Augen die Wasseroberfläche ab.
    Sie musste aus dem Wasser. Es war viel zu kalt. Sie hörte bereits ein Schiff, das auf die Brücke zukam, und sie wusste, sie musste sich beeilen, um nicht in den Sog zu geraten. Aber wenn sie es bis ans Ufer schaffte, würde er sie an Land kommen sehen. Sie überlegte, ob sie es auf die andere Seite des Flusses schaffen konnte. Dazu müsste sie bestimmt zwei Drittel der Themse durchschwimmen.
    Das Schiff kam näher. Em spürte bereits die Wellenbewegungen, die von ihm ausgingen.
    Zwei Drittel der Themse. Bei auflaufendem Wasser. Die Fließgeschwindigkeit des Flusses war nicht sehr hoch, aber der Sog zu stark für sie. Ems Kraft würde dazu nicht ausreichen. Das Wasser war zu kalt. Sie war keine gute Schwimmerin. Sie hatte Kondition, aber Schwimmen war nicht ihre Disziplin. Sie hatte lange nicht mehr richtig geschlafen. Der Kampf mit dem Polizisten vorhin hatte außerdem Kraft gekostet. Sie würde es nicht schaffen.
    Em sah zurück zum Ufer. Er bewegte sich und ging ein Stück in die Richtung, die von ihr wegführte. Dann aber blieb er stehen und kam zurück. Sie wandte schnell das Gesicht von ihm ab und hoffte, dass sie nicht zu sehen war. Ihre gesunde Hand krampfte. Die Fingerkuppen stachen. Wahrscheinlich war die Haut aufgerissen. Mit der anderen Hand hatte sie kaum Halt. Der Verband ließ nicht zu, dass sie sich festklammern konnte. Sie presste sich gegen den Pfeiler. Hoffte, dass sie sich über Wasser halten würde, während das Schiff vorbeifuhr.
    Die Wellen schlugen höher. Em verlor kurz den Halt. Sie schluckte Wasser, spuckte es aus, hustete. Dann sah sie das Schiff. Es war kleiner als gedacht, nur eine Motoryacht. Sie würde schnell durchfahren. Bis dahin musste Em durchhalten. Das Wasser tanzte um sie herum. Schlug ihr ins Gesicht. Sie versuchte, es nicht zu schlucken. Versuchte, nicht unter Wasser zu geraten. Versuchte, am Leben zu bleiben.
    Endlich war die Yacht vorbeigerauscht. Es dauerte noch einen Moment, bis sich das Wasser etwas beruhigt hatte. Em keuchte und spuckte. Noch ein Schiff würde sie nicht durchhalten.
    Sie sah zum Ufer. Niemand war mehr zu sehen. Sie wollte trotzdem noch warten, nur um sicherzugehen. Aber dann spürte sie, dass sie keine Wahl mehr hatte. Wenn sie länger blieb, würde sie untergehen.
    Em konzentrierte sich, erinnerte sich daran, dass sie noch lange nicht sterben wollte, und schwamm mit letzter Kraft ans Ufer. Sobald sie halbwegs festen und vor allem trockenen Boden unter den Füßen hatte, ließ sie sich keuchend fallen, weinte und zitterte vor Müdigkeit und Wut, stand wieder auf und suchte nach einer Möglichkeit, zurück von der Böschung auf den Uferweg zu gelangen.
    Ein Stück weiter vorne waren Stufen. Em kletterte hinauf und ließ sich auf den Gehweg fallen. Sie war erschöpft und durchgefroren, und sie wollte nur noch schlafen. Egal wo und egal wie.

12. APRIL 2013

Kapitel 33
    E ine Frau stand über ihr und betrachtete sie eingehend.
    »Nein, sie lebt, und sie ist wach. Sie ist kein Junkie, so ist sie nicht angezogen. Ich glaube, sie ist einfach in die Themse gefallen«, sagte sie, aber nicht zu Em.
    »Niemand fällt einfach in die Themse«, sagte eine andere Frau, die Em nicht sehen konnte. Sie hatte die Augen wieder geschlossen.
    »Vielleicht wollte sie sich umbringen und hat es sich anders überlegt«, sagte die erste. Ihre Stimme war weich und hell.
    »Ich geh rauf und schau, ob Pete schon da ist.« Die Stimme der zweiten Frau war sehr viel tiefer.
    »Nein, der wartet oben auf uns. Hilf mir lieber.«
    »Womit … Was? Du willst sie mitnehmen?«
    »Jetzt hilf mir! Wir müssen ihr wenigstens ein paar von den nassen Klamotten ausziehen.«
    »Ausziehen?«
    »Sie ist total unterkühlt. Na los.«
    Em spürte, wie etwas an ihr zerrte.
    »Klappt nicht. Scheiße.«
    Sie wurde hochgezogen und auf die Beine gestellt. Jemand stützte ihren Oberkörper, damit sie nicht umfiel.
    »Urgs, klatschnass.«
    »Stell dich nicht so an! Gib mal lieber deinen Mantel. Los, mach schon.«
    »Meinen Mantel? Was ist mit deinem?«
    »Deiner ist wärmer.«
    »Na und? Der wird nass und dreckig.«
    »Dann kommt er halt in die Reinigung.«
    »Nimm deinen!«
    »Miststück.«
    Etwas legte sich wie eine Decke um ihren Körper. Mühsam öffnete Em die Augen.
    »Oh, hallo. Kannst du laufen? Wir müssen die Treppe da rauf. Schaffst du das? Wir stützen dich.«
    Widerwillig bewegte Em ihre Beine.

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