Brixton Hill: Roman (German Edition)
das kleine, windschiefe Häuschen, in dem Samir lebte und sein Internetcafé betrieb, sollte von Braidlux aufgekauft und abgerissen werden.
»Dann ist Barney umsonst gestorben«, sagte Jay. »Hätte er noch ein paar Tage durchgehalten …«
»Der Barney, über den du mal was geschrieben hast?«, fragte Em.
Jay nickte. »Hat sich in sein Haus geschlichen und es angezündet. Er ist drin sitzen geblieben, um mit dem Haus zu verbrennen.«
»Gemeinsam in den Tod«, sagte Samir. »Nach dem Motto: Wenn ich es nicht haben kann, soll es niemand haben.«
Em verstand immer noch nicht, wie jemand so sehr an einem Haus – dazu noch einem vermutlich baufälligen und schlecht renovierten – hängen konnte, sagte aber nichts.
»Braidlux baut auf Gift«, hieß die Schlagzeile der Daily Mail , die sich seit einer Weile im Netz verbreitete und auch langsam ihren Weg in andere Medien wie Fernsehen und Radio fand. In dem Bericht waren auch sämtliche Stroh- und Hintermänner namentlich genannt. Der Name Frank Everett tat Em in den Augen weh.
Die Meldung war am Freitagabend online gegangen, als Jay und Em gerade auf dem Nachhauseweg waren. Weil Jay geglaubt hatte, Samir hätte etwas damit zu tun, waren sie direkt von der U-Bahnstation zu ihm gegangen.
»Wer auch immer es war, er ist mein Held«, strahlte Samir. »Irgendwo hab ich bestimmt einen Sekt. Soll ich mal nachsehen?« Er verschwand, und kurz darauf hörte Em Schritte im oberen Stockwerk.
»Was bedeutet das jetzt?«, fragte Jay, der sich wohl aus Höflichkeit Em gegenüber wieder etwas beruhigt hatte.
»Frank wird wohl ins Gefängnis kommen.«
»Ich meine, was es für dich bedeutet.«
»Ob noch jemand hinter mir her ist?«
»Jemand hat geleakt, was für Sauereien bei Braidlux abgehen. Wahrscheinlich war das das kleine Geheimnis deines Onkels.«
Braidlux hatte Baugenehmigungen für Grund bekommen, der erst in einigen Jahren oder nach aufwendigem Abtragen und Erneuern des Erdreichs hätte freigegeben werden dürfen. Jetzt aber standen Luxuswohnhäuser auf vergiftetem Boden. Spielplätze und Gemeinschaftsgärten waren dort angelegt worden. Für einige Gebäude waren gesundheitsgefährdende Baustoffe, Farben und Lacke verwendet worden. Trinkwasserproben, die bei Tests in unabhängigen Labors zu bedenklichen Ergebnissen geführt hatten, waren durch geheime Absprachen mit dem privaten Wasserversorger »nachkorrigiert« worden.
Braidlux vergiftete für überhöhte Mieten und Kaufpreise seine Klienten. Wer dort wohnte, lebte ungesünder als in jedem sozialen Wohnungsbau. Diese Ironie hatte die Daily Mail nicht aufgegriffen – dem Guardian wäre sie sicherlich nicht entgangen, dachte Em.
»Ich glaube, mein Onkel wollte damit an die Öffentlichkeit. Er wollte damit nichts zu tun haben. Und Robert hat ihn erpresst, damit er den Mund hält«, sagte Em.
»Glaubst du wirklich?«
»Wenn mein Bruder für ihn und Braidlux gearbeitet hat: ja. Ich kenne beide mein Leben lang. Vielleicht sind sie da irgendwie reingeschlittert. Sie haben wirtschaftlich gedacht und wollten ein gutes Geschäft machen. Und dann war es ihnen zu heftig. Sie wollten damit an die Öffentlichkeit, und Robert …«
»Dann ist Robert Hanford derjenige, der hinter dir her ist?«
Em nickte. »So muss es sein. Er hat diesen Hacker eingestellt. Über meinen Bruder. Und dieser Hacker hat gemerkt, dass Alan all diese Dinge über Braidlux herausgefunden hat. Daraufhin dachte man wohl, ich hinge mit Alan zusammen oder hätte ihn am Ende gar beauftragt zu spionieren, und die Sache nahm ihren Lauf. Klingt das … logisch?«
Samir platzte in das kleine Büro. »Hier, meine Lieben, zur Feier des Tages: kein Sekt!« Er schwenkte eine Whiskyflasche und drei Gläser. »Benromach Organic! Schottlands erster Biowhisky!« Als die beiden nicht reagierten, sagte er: »Äh, lieber was anderes?«
Em schüttelte den Kopf. »Genau das Richtige. Wenn der Alkoholgehalt stimmt.«
»Das tut er«, sagte Jay, während er die Flasche studierte.
»Hab ich was verpasst?«, fragte Samir.
»Ich brauch ein neues Telefon.«
»Du wirst noch meine beste Kundin«, grinste der Libanese.
»Wie es aussieht, ist der Spuk bald vorbei. Ich muss nach Hause«, sagte Em. »Und mit Scotland Yard reden. Aber erst – ein großes Glas bitte. Einen vierfachen.«
Samir nickte verständnisvoll und schenkte ihr großzügig ein.
Auf dem Weg zur U-Bahn rief Em bei Jono an.
»Wie ist die Stimmung?«, fragte sie.
»Gut! Wieso?«
Ȁh, wegen
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