Brixton Hill: Roman (German Edition)
in einem Atemzug mit dem Braidlux-Skandal nannten, wurde sie wirklich nervös. Katherine hatte diesen Deutschen damals unbedingt heiraten müssen, obwohl Patricia ihr abgeraten hatte. Ihre Tochter hatte es nicht verstanden: Schließlich arbeitete Frank sogar in derselben Branche, war also auch in beruflicher Hinsicht so etwas wie ein Glücksfall, oder nicht? Anders als Ruths Ehemann, der als Architekt immer unterwegs gewesen war, sich nie um die Familiengeschäfte geschert hatte, nie auch nur Interesse an den Everetts gezeigt hatte. Frank hingegen …!
Genau das war jedoch von Anfang an Patricias Problem mit Frank gewesen. Er interessierte sich zu sehr für die Geschäfte der Everetts. Er fügte sich zu schnell in alles ein, wie ein Chamäleon. Tat, was man ihm sagte. Bemühte sich stets, allen zu gefallen. Frank hatte kein eigenes Profil, und das war etwas, das Patricia einem Menschen nicht verzeihen konnte.
Patricia hatte ihn nie besonders gemocht. Und wie üblich hatte sie am Ende recht behalten. Weil Frank in der Bank nicht weiter hatte aufsteigen können – Patricia hatte ihn immer nur als Geschäftsführer in Anstellung gehabt, ihm nie eine Beteiligung erlaubt –, war er offenbar losgezogen, um sich anderswo wichtig zu machen. Ihr war klar, dass er ihre Tochter wirklich liebte, aber er war ihr gleichzeitig nicht gewachsen. Er war kein Kämpfer. Er war weich und konturlos. Man konnte sich nicht auf ihn verlassen, wenn es hart auf hart kam. Katherine hingegen war zäh, sie konnte in komplizierten Schachzügen denken. Wie sollten diese beiden zusammenpassen? Trotzdem hielten sie es schon seit fünfunddreißig Jahren miteinander aus.
Gut, Katherine hatte einige Affären gehabt, von denen Frank nicht den leisesten Schimmer hatte. Frank hingegen war treu wie Gold gewesen, zumindest in der Ehe. Seine beruflichen Seitensprünge waren etwas, das Patricia ihm nicht verzeihen konnte. Sie hatte damit gerechnet, sie hatte es geahnt, aber sie hatte nie einen Beweis dafür gehabt, nicht einmal einen Hinweis darauf, um was es sich handeln mochte. Dass es mit diesem Robert zu tun hatte – mit dem Katherine übrigens auch eine Weile etwas gehabt hatte, aber das lag nun schon dreißig Jahre zurück –, war klar. Frank war gar nicht in der Lage, selbst so etwas zu planen und durchzuführen. Ständig fragte er Robert um Rat. Aber Braidlux? Niemals wäre Patricia auf Braidlux gekommen. Vermutlich, weil sie weder Frank noch Robert zugetraut hätte, in etwas so Erfolgreiches einzusteigen.
Manchmal täuschte sie sich. Aber meist nur im Detail, selten im Großen.
Braidlux also. Ein Verrat an Patricias Regeln. Dazu war er noch so dumm gewesen, krumme Geschäfte zuzulassen. Dass man versuchte, Gewinne zu maximieren – geschenkt. Dass hier und da mal mit Bestechungsgeldern nachgeholfen werden musste – außer Frage. Aber bei solchen Umweltsauereien mitzumischen und sich dann auch noch erwischen zu lassen? Wo doch heutzutage jeder, der etwas auf sich hielt, auf Grün machte? Frank, Frank, wie dämlich konnte man sein.
An dem Tag, als es publik wurde, war alles sehr schnell gegangen. Als wäre es von langer Hand geplant gewesen. Frank und Robert wurden gleichzeitig festgenommen, sie hatten gar keine Möglichkeit zu fliehen. Jetzt saßen sie in Untersuchungshaft, der Richter hatte sich nicht erweichen lassen, stattdessen Hausarrest anzuordnen oder gar eine Freilassung auf Kaution zu ermöglichen. Die Flucht- und Verdunklungsgefahr sei zu hoch, hieß es, und Patricia stand innerlich uneingeschränkt hinter dieser Einschätzung. Natürlich sagte sie nichts davon zu Katherine. Obwohl sie ein wenig den Eindruck hatte, dass ihre Tochter insgeheim erleichtert war. Katherine musste vor Wut platzen, dass ihr Ehemann sie und die Familie so bloßstellte. Zu Patricia hatte sie gesagt: »Noch ist nichts bewiesen. Ich kann und will mir nicht vorstellen, dass Frank tatsächlich in diese Sache verstrickt ist. Wir müssen abwarten, was die Untersuchungen ergeben. Bis dahin möchte ich nicht mehr darüber reden.« Das war ein paar Stunden nach Franks Festnahme gewesen. Seither war das Thema zwischen den beiden Frauen tabu.
Patricia hatte sich ihre Enkeltochter Emma zurückgewünscht, und dieser Wunsch war ihr an diesem Skandaltag auch erfüllt worden. Mitten im größten Trubel hatte sie einfach dagestanden, zwischen all den Polizisten, die jeden Quadratzentimeter des Hauses durchkämmten.
»Da bin ich wieder«, hatte sie gesagt, und furchtbar
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