Brixton Hill: Roman (German Edition)
als auf dem Zeitungsfoto. Sie hatte gedacht, man hätte ihn eigens in Szene gesetzt, um Mitleid zu erregen. In Wirklichkeit hatte man ihm geschmeichelt.
»Die Blutergüsse sehen nach einer Weile erst mal viel schlimmer aus, weil sie sich verteilen«, erklärte Tobs, dem ihre Reaktion nicht entgangen war. »Du hast den Bullen umgehauen, oder? Ich muss mich bei dir bedanken.«
»Hab ich sehr gerne gemacht«, sagte Em und lächelte ihm, wie sie hoffte, aufmunternd zu.
Tobs hatte ein Einzelzimmer bekommen, damit andere Patienten nicht gestört wurden. Er erzählte von endlosen Vernehmungen durch die Polizei, von Journalisten, die ihn stundenlang genervt hatten – sobald sie vom Klinikpersonal hinausgeworfen worden waren, hatten sie ihm gemailt oder Nachrichten auf Twitter und Facebook geschickt –, von dem Anwalt, den seine Eltern ihm von Deutschland aus besorgt hatten.
»Wirst du eigentlich noch von der Polizei gesucht?«, fragte er Em.
Sie nickte.
»Umso cooler, dass du mir geholfen hast.«
»Wirklich. Kein Thema. Ich bin froh, dass es dir gut geht. Also, den Umständen entsprechend. Das sah vor Ort alles sehr viel gefährlicher aus.«
»Kopfwunden bluten sehr stark«, sagte er. »Aber das haben sie gut nähen können. Willst du’s sehen?« Er setzte sich auf, drehte den Kopf zur Seite und zeigte ihr seine Wunde.
»Haben sie sehr ordentlich gemacht«, sagte Em.
Jay stand lächelnd daneben. »Tobs, wenn du irgendwas brauchst …?«
»Hab alles«, sagte er. »Mein Smartphone, genug zu essen, und ich schlafe im Moment sowieso total viel.«
»Wie lange musst du noch hierbleiben?«
Er schnaufte. »Der Schlüsselbeinbruch ist nicht wirklich kompliziert, und die Nase wird auch wieder. Und sonst … ach, vielleicht gar nicht mal so schlecht, ein bisschen auszuruhen.«
»Vielleicht«, sagte Jay.
»Wegen dieser Sache«, begann Tobs. »Du weißt schon.«
Die beiden sahen zu Em.
»Oh. Ich kann auch rausgehen. Kein Problem.«
Tobs nickte. »Danke.«
»Nein«, sagte Jay. »Sie kann ruhig hierbleiben. Der Grund, warum sie Probleme hat, kommt nämlich auch irgendwie von Braidlux. Wir wissen nur nicht genau, wie alles zusammenhängt.«
Tobs schloss die Augen. Es wirkte ein wenig theatralisch, besonders, weil er dann noch mit leiser Stimme sagte: »Na gut. Ich hab sowieso gerade keine Kraft, mich zu streiten.«
Em bemerkte, wie sich Jay das Lachen verbiss und todernst aussah, als Tobs die Augen wieder öffnete.
»Ich hätte da früher reagieren müssen. Es ist alles mein Fehler. Vor gut drei Monaten hatte ich schon den Eindruck, dass uns jemand verpfeift. Oder zumindest sehr gut im Blick hat. Und dann hatten wir doch diese seltsame Begegnung mit dem einen Anwalt von Braidlux. Ich glaube jedenfalls, dass es ein Anwalt von Braidlux war, warum sonst hätte er da aufkreuzen sollen. Er hat zwar so getan, als ob er uns nur helfen wollte, aber meine Güte, die Leute reden viel. Jedenfalls hab ich mitbekommen, dass sich einer von unseren Leuten länger mit dem unterhalten hat. Und danach ist er nie wieder bei irgendeiner Aktion aufgekreuzt. Auch seine Accounts liegen alle brach. Einfach verschwunden.«
»Und du denkst, dieser Anwalt hat ihn angeheuert, um an Informationen über unsere Aktionen ranzukommen?«, fragte Jay.
»Klar. Warum waren die Bullen denn sonst immer so schnell da?«
»Kenn ich den Typen?«
»Miles. Flannigan? Farraday? Warte … fällt mir gleich ein … Fielding. Miles Fielding.«
»Miles? Auch ein Hacker? Hab ich den nicht mal irgendwo kurz kennengelernt?«
»Sicher. Er ist gut im Spurenverwischen. Und ich bin selbst kein Hacker. Er hat wahrscheinlich noch die ganze Zeit bei uns mitgelesen.«
»Und Miles, glaubst du, hat sich mit Braidlux eingelassen?«
»Schaut doch so aus?«
Jay sah Em an. »Dann wissen wir jetzt, wer Alan aufgespürt hat.«
Tobs verstand nicht ganz, worum es ging, und Jay fasste es für ihn knapp zusammen.
»Deinem Onkel gehört der Scheißladen?«, rief der Junge. »Na prima. Jay, wen schleppst du hier eigentlich an? Erst soll sie Alan umgebracht haben, und dann ist ihr Onkel auch noch Feindbild Nummer eins!«
»Sie sind hinter ihr her, hast du mir nicht zugehört? Sie wollen sie umbringen!«
»Warum?«
»Weil sie denken, dass sie weiß, was Alan rausgefunden hat. Deshalb musste Alan sterben, und deshalb soll sie sterben.«
»Verdammt, ich hab Kopfschmerzen«, murmelte Tobs und zog sich mit dem gesunden Arm die Decke bis zum Kinn.
»Tobs, ich hab wirklich nichts
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