Brixton Hill: Roman (German Edition)
Braidlux?«
»Ach so. Ich dachte, du meinst mich.«
»Sorry. Schön zu hören, dass es dir gut geht.«
»Vorhin im Büro war es wirklich lustig. Deine Tante hat deinen Onkel sozusagen an den Haaren aus dem Büro geschleift. Polizei war auch gleich da.«
»Wow. Weißt du, ob sie jetzt zu Hause sind?«
»Keine Ahnung. Wahrscheinlich. Willst du etwa …«
»Ja. Ich weiß jetzt, was los ist.«
»Wow. Erzählst du’s mir?«
»Nicht am Telefon.«
»Wo soll ich hinkommen?«
Sie musste lächeln. »Ich melde mich.«
Als sie eine halbe Stunde später in der Henrietta Street eintraf, wusste sie, dass es schwieriger werden würde als gedacht. Vor dem Haus standen mehrere Streifenwagen. Das Blaulicht flackerte durch die Dunkelheit. Offenbar war eine Durchsuchung im Gange. Em blieb in einem Hauseingang stehen und wählte die Nummer von Alex.
»Kannst du sprechen?«, fragte sie, bevor er sich richtig gemeldet hatte.
»Nein.«
»Sind sie auch bei deinem Vater?«
»Ja. Warst du das?«
» Ich ?«
Er schwieg, wartete offenbar wirklich auf eine Antwort.
»Natürlich war ich das nicht . Warum sollte ich so was tun?«
Sie bekam keine Antwort. Alex legte auf.
16. APRIL 2013
Kapitel 39
P atricia Everett hatte die britische Premierministerin Margaret Thatcher immer aufrichtig bewundert. Sie hatte ihr Leben lang nie etwas anderes als die konservative Partei gewählt und war, als ihr Mann noch lebte und Thatcher regierte, sogar zu einigen Empfängen der Premierministerin geladen gewesen. Allerdings war sie bis heute nie darüber hinweggekommen, dass ihre Erhebung in den Adelsstand ausgeblieben war. Sie konnte es sich nur damit erklären, dass alle Welt die Bank in erster Linie mit ihrem Mann in Verbindung brachte. Patricia war lediglich die Ehefrau eines erfolgreichen Geschäftsmanns. Dass es in Wirklichkeit umgekehrt gewesen war, interessierte niemanden. Er hatte den Namen Everett, er war der Gründer der Bank, er war seit Jahrzehnten tot.
Eine andere Erklärung war, dass die Bank zu neu war. Eine Nachkriegsgründung, der die Tradition fehlte. Andererseits bekamen sogar Kriminalschriftsteller oder Schauspieler oder Popsänger eine Nobilitierung. Patricia kam tatsächlich nicht darüber hinweg.
Umso erfreuter war sie, dass sie zu den geladenen Gästen bei Thatchers Beerdigung zählte. Sie durfte in die St Paul’s Cathedral, um dem Trauergottesdienst beizuwohnen, den Premierminister sprechen zu hören, die Queen zu sehen.
Immerhin etwas. Niemals hätte sie sich an den Straßenrand zu dem trauernden Fußvolk gestellt. St Paul’s war etwas anderes.
Die alte Dame hatte nicht einmal ein schlechtes Gewissen, dass sie sich auf eine Beerdigung freute. In ihrem Alter war man ständig zu Beerdigungen geladen. Manchmal ging sie hin, meist jedoch behauptete sie, ihr Gesundheitszustand ließe es bedauerlicherweise nicht zu. Dann schickte sie einen besonders großen Kranz, damit man nicht schlecht über sie reden konnte. Tatsächlich war es doch so, dass ihre Zeit knapp wurde. Warum sie dann verschwenden? Momente der Freude wurden ebenfalls knapp. Warum sich dann also nicht freuen?
Nicht einmal Erics Tod vermochte es, ihre Laune zu trüben. Sie hatte ihren Enkel sehr geliebt und war stolz auf ihn gewesen. Es musste wohl an ihrem Alter liegen, dass sie den Tod nicht mehr als so tragisch empfand. Menschen starben. Auch liebe Menschen. Menschen verschwanden einfach. So wie ihre Tochter Ruth, die Mutter ihrer Enkelkinder. Aber sie lebten trotzdem in einem selbst weiter. Das hatte Patricia dank einiger harter Prüfungen schon vor Jahrzehnten gelernt. Und sie hatte nun wirklich nichts davon, wenn sie zu Hause herumsaß und in Tränen ertrank. Sie hatte genug geweint. Und würde noch oft wegen Eric traurig sein. Sie wusste, dass Trauer in Wellen kam und sich nicht an vorgeschriebene Zeiten hielt. Darüber sprach sie allerdings nicht mit ihrer Tochter Katherine, und schon gar nicht mit Emma. Sie würden es nicht verstehen, allein schon, weil sie noch zu jung dafür waren. Also freute sie sich über die Einladung zu Thatchers Beerdigung. Sie würde hingehen.
Sie hatte Angst gehabt, man würde es sich noch einmal anders überlegen – wegen Em. Eine Enkeltochter, die unter Mordverdacht stand, war keine gute Referenz. Andererseits war es nur ein vager Verdacht, oder etwa nicht? Man suchte sie, um sich mit ihr zu unterhalten. Man hatte nichts gegen das Mädchen in der Hand.
Als jedoch sämtliche Fernsehsender den Namen Everett sozusagen
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