Brockmann Suzanne
anderen es als das, was es war: ein Segen! Es ist schon schwer genug, alleine durch diese Ausbildung zu kommen, aber wenn du ständig einen Ertrinkenden auf deinen Rücken gebunden hast, ist es fast unmöglich.“
P. J. konnte nun Harvard in der Ferne erkennen. Er rannte immer noch am Kopf der Truppe. Er hatte sein T-Shirt ausgezogen; seine mächtigen Muskeln glänzten vor Schweiß. Er bewegte sich wie ein Tänzer – graziös und sicher. Bei ihm wirkte das Laufen vollkommen mühelos.
Als Joe Cat kurz darauf noch ein wenig das Tempo anzog, wurde es für P. J. schwer, sich neben dem Laufen noch zu unterhalten.
Der Captain selbst sagte kein Wort, als sie zunächst an Schneider und Greene, dann an Farber vorbeizogen. Wie sich herausstellte, hatte das aber nichts damit zu tun, dass er außer Atem gewesen wäre. Kaum waren sie außer Hörweite, sagte er: „Selbst meine Großmutter läuft schneller als diese Typen.“
„Wie weit laufen wir denn heute?“, japste P. J., als sie an der Fünfmeilenmarke vorbeikamen.
„So weit uns Harvard führt.“
Harvard sah überhaupt nicht so aus, als dächte er daran anzuhalten. Vielmehr schien er das Tempo weiter zu erhöhen.
„Ich war einmal schneller als Harvard“, erzählte Joe. „Doch dann rasierte er sich die Haare ab, um den Windwiderstand zu minimieren.“
P. J. musste lachen.
„Also habe ich Ronnie gefragt, was sie davon halten würde, wenn ich meine Haare ebenfalls abrasiere. ‚Auf keinen Fall‘, hat sie gesagt. Also fragte ich sie, was dagegen spricht. Immerhin erzählt sie mir immer, wie supersexy und unwiderstehlich Harvard ist. Warum sollte ich also nicht auch so aussehen?“ Er grinste. „Sie erklärte mir, dass sie auf meinen ‚Liebesro-man-Cover-Look‘, so nennt sie das, steht. Als ich trotzdem immer wieder mit dem Windwiderstand anfing, erklärte sie mir schließlich, dass ich, im Gegensatz zu Harvard, mit Glatze überhaupt nicht sexy aussehen würde. Sondern eher wie ein riesiger weißer Zeh.“
P. J. brach lachend zusammen. Sie versuchte, sich Joe Cat ohne seine Haare vorzustellen. Das Bild, das vor ihrem geistigen Auge auftauchte, sah ziemlich ähnlich dem, was seine Frau beschrieben hatte.
Joe grinste. „Es ist wohl unnötig, zu sagen, dass ich den Rasierer seither in den Medizinschrank verbannt habe.“
Harvard hörte in seinem Rücken P. J.s melodisches Lachen und biss die Zähne zusammen.
Nicht, dass es so klang, als würde sie mit Joe Cat flirten, wenn sie so lachte. Nicht, dass er auf die Freundschaft, die sich zwischen den beiden zu entwickeln schien, eifersüchtig war. Und nicht, dass er einen wirklich schlechten Tag hatte, sagte er sich.
Aber dann lachte sie erneut, und die Wahrheit traf ihn wie ein Schlag ins Gesicht.
Sie klang tatsächlich so, als würde sie mit Joe Cat flirten. Und Harvard war tödlich eifersüchtig auf das besondere Band, das den Captain und P. J. zu verbinden schien. Und zu allem Überfluss konnte er sich nicht daran erinnern, wann er zuletzt einen solch schwarzen Tag erlebt hatte. Jedenfalls nicht seit jenem Tag, an dem der Junge von SEAL Team One bei einer Fallschirmübung Panik bekommen hatte. Sein Fallschirm hatte sich nicht richtig geöffnet; er hatte sich nicht richtig losgeschnitten, bevor er die Notschnur zog. Der zweite Schirm verhedderte sich mit dem ersten und öffnete sich ebenfalls nicht, und der junge Soldat stürzte zu Tode. Harvard musste damals nach seinen sterblichen Überresten suchen. Das war ein wirklich schwarzer Tag gewesen.
Er wusste, dass er sich glücklich schätzen sollte. Immerhin war heute niemand umgekommen. Aber so denken zu müssen, ließ ihn sich nur noch schlechter fühlen. Jetzt hatte er obendrein auch noch Schuldgefühle.
Er schlug eine Abkürzung zurück zum Stützpunkt ein. Egal, wie lange er heute noch laufen würde, er würde sich ohnehin nicht besser fühlen. Er lief schnell, obwohl er wusste, dass die drei männlichen Agenten nicht mithalten konnten.
P. J. hingegen würde es ohne Zweifel schaffen. Wenn sie lief, hatte sie genau jenen Ausdruck in den Augen, den er schon so oft in den Augen junger SEAL-Anwärter gesehen hatte, die entschlossen waren, die Ausbildung durchzustehen. Genau wie sie würde P. J. erst aufgeben, wenn sie tot am Boden lag. Wenn überhaupt.
Es war fast schade, dass sie eine Frau war. Denn wie sie selbst angemerkt hatte, gehörte sie zweifellos zu den besten Schützen der FInCOM. Ja, sie war gut, und ja, sie war zäh. Aber Tatsache blieb: Sie
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