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Brockmann Suzanne

Brockmann Suzanne

Titel: Brockmann Suzanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 5 Harvard - Herz an Herz
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Ich werde sterben. Genau hier und jetzt – nur weil ich ein schwarzer Amerikaner in einer amerikanischen Großstadt bin.“
    Er schluckte. „Ich hebe also meine Hände, und sie schreien mich an, dass ich mich auf den Boden legen soll. Auch das tue ich. Sie durchsuchen mich, zerkratzen mir dabei das Gesicht auf dem Betonboden. Ich liege einfach da und überlege mir, dass ich ein Diplom der Harvard University habe, das aber in diesem Moment komplett wertlos ist. Dass ich einen Intelligenzquotienten habe, mit dem ich jederzeit einer Hochbegabtenvereinigung wie Mensa International beitreten könnte – aber das sehen die Menschen nicht, wenn sie mich anschauen. Sie sehen nur meine Hautfarbe. Sie sehen einen großen schwarzen Mann. Einen Mann, der bewaffnet und gefährlich sein könnte.“
    Er wurde still, als er sich daran erinnerte, wie die Polizisten ihn schließlich hatten laufen lassen. Sie hatten ihn verwarnt und ihn dann laufen lassen. Er hatte nur eine flüchtige Entschuldigung erhalten. Sein Gesicht war verkratzt und blutete, und dennoch taten sie so, als sei er im Unrecht gewesen. Er hatte noch eine ganze Zeit lang auf der Gehsteigkante gesessen und versucht, zu verstehen, was gerade passiert war.
    „Ich hatte schon von den SEALs gehört“, fuhr er schließlich fort. „Wahrscheinlich hatte ich im Fernsehen eine Reportage über ihre Geschichte gesehen oder etwas über die Froschmänner und die Kampfschwimmereinheiten, die Underwater Demolition Teams, im Zweiten Weltkrieg gelesen. Ich bewunderte die SEALs für ihren risikoreichen Alltag, und wahrscheinlich hatte ich auch schon darüber nachgedacht, dass das was für mich sein könnte – in einem anderen Leben. Ich erinnere mich, wie ich auf diesem Gehsteig in New York City saß, nachdem der Streifenwagen verschwunden war.“
    Er runzelte die Stirn. „Ich dachte: ‚Verdammt! Die Lebenserwartung eines schwarzen Mannes liegt in einer amerikanischen Großstadt durchschnittlich bei dreiundzwanzig kurzen Jahren.‘ Die Bedeutung dieser Tatsache war mir bis zu diesem Zeitpunkt nie wirklich bewusst geworden. Ich begab mich schon in Gefahr, wenn ich einfach nur herumlief! Es war reines Glück, dass ich nicht mein Portemonnaie herausgezogen hatte, als die Polizisten mir ‚Hände hoch!‘ entgegenbrüllt hatten. Sie hätten wahrscheinlich gedacht, ich würde eine Waffe ziehen – und dann wäre ich jetzt tot. Mit zweiundzwanzig Jahren. Eine weitere Zahl in einer traurigen Statistik.“
    Nachdenklich blickte er P. J. an. „Über all das dachte ich nach, als ich da auf dem Bordstein saß. Dass ich vorsichtig sein könnte. Dass ich abends einfach nicht mehr ausgehen würde. Oder dass ich mich wie mein Vater in einem wohlhabenden Vorort verstecken könnte. Oder – dass ich zur Navy gehen und ein SEAL werden könnte. Dann nämlich wäre das Risiko, dass ich jeden Tag eingehe, wenigstens für etwas gut.“
    Für einen kurzen Moment tauchte er in die unergründliche Tiefe von P. J.s Augen ein. „Am nächsten Morgen habe ich ein Rekrutierungsbüro der Navy aufgesucht und mich gemeldet. Und den Rest der Geschichte kennst du ja.“
    P. J. ließ die Armlehne los und nahm seine Hand in ihre.
    Er nahm ihre schlanken Finger und verglich sie mit seinen riesigen. „Ist das meinetoder deinetwegen?“
    „Deinet- und meinetwegen“, sagte sie. „Das ist für uns beide.“
    Harvards Mutter roch nach Zimt. Genau wie die Bäckerei, an der P. J. jeden Tag auf ihrem Schulweg vorbeigelaufen war, bis ihre Großmutter starb und sie umziehen mussten.
    Das ganze Haus duftete wunderbar. In der Küche schien etwas Unglaubliches vor sich zu gehen. Etwas, das mit dem Herd, einem Kochbuch und ganz viel Zucker und Gewürzen zu tun hatte.
    Ellie Becker nahm P. J. an die eine und ihren Sohn an die andere Hand und führte die beiden durch das Haus. In allen Räumen standen noch unausgepackte Kartons aufeinandergestapelt. Nur die riesige Küche war bereits vollständig eingerichtet.
    Sie sah aus wie eine dieser Küchen, die P. J. aus Fernsehserien kannte: Der Boden bestand aus warmen mexikanischen Lehmfliesen, die Arbeitsflächen und Geräte waren strahlend weiß und die Schränke aus echtem Holz gefertigt. In der Mitte des Raumes stand eine Kücheninsel, und trotzdem blieb genug Platz für einen riesigen Esstisch, der so aussah, als würden mindestens ein Dutzend Gäste an ihm sitzen können.
    „Als wir diesen Raum gesehen haben, haben wir uns für das Haus entschieden“, sagte Ellie. „Das ist

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