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Brockmann Suzanne

Brockmann Suzanne

Titel: Brockmann Suzanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 5 Harvard - Herz an Herz
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bereuen, dort gewesen zu sein. Ich blieb, bis Danilo aufhörte zu spielen. Und selbst dann hing ich noch ein wenig herum, unterhielt mich mit der Band. Ich war so begeistert von ihrem Jazzverständnis. Ihre Musik war so frisch und am Puls der Zeit. Weißt du, manche Bands spielen einfach das nach, was die Großen der Dreißigerjahre schon gespielt haben und wieder andere versuchen so sehr, modern und neu zu sein, dass sie das Gefühl für Musik komplett verlieren.“
    „Und was passierte, nachdem du den Club endgültig verlassen hast?“, fragte P. J..
    Harvard lachte kläglich. „Ja, jetzt kommen wir zu dem unschönen Teil der Geschichte. Darum drücke ich mich gerade noch und halte dir lieber einen Vortrag über Jazz. Aber das ist dir schon längst aufgefallen, nicht wahr?“
    Sie nickte.
    Er strich mit einem Finger über ihren Ärmel. „Ich mag dein Oberteil. Habe ich dir das schon gesagt?“
    „Danke“, erwiderte sie. „Also – was ist passiert, nachdem du den Club verlassen hast?“
    „Okay.“ Er holte tief Luft und atmete durch den Mund wieder aus. „Es ist also etwa halb drei oder viertel vor drei in der Nacht. Ich hatte Stu gegen zwei Uhr angerufen – die Jungs waren noch wach –, ich solle mir Zeit lassen. Ich aber denke mir, dass ein rücksichtsvoller Übernachtungsgast nicht später als drei zurück sein sollte, und beschließe, ein Taxi zu nehmen. Das versuche ich auch, aber niemand hält an. Sie werden nur langsamer, werfen einen kurzen Blick auf mich und fahren weiter. Vielleicht wegen meiner Klamotten – Jeans, T-Shirt und Turnschuhe, nichts Besonderes. Aber ich sehe ganz bestimmt nicht aus, wie man sich einen Harvardabsolventen vorstellt. Ich bin einfach irgendein Schwarzer, der viel zu spät noch unterwegs ist.“
    Er räusperte sich. „Ich akzeptiere also, dass kein Taxi halten wird. Es ärgert mich, aber davon geht die Welt nicht unter – das passiert mir ja auch nicht zum ersten Mal. Wie auch immer: Ich war vier Jahre lang im Leichtathletikteam von Harvard, ich bin also gut in Form, und es sind nur ein paar Meilen zu Stus Vater. Also beschließe ich zu rennen.“
    Harvard erkannte in P. J.s Augen, dass sie den Rest seiner Geschichte erahnen konnte. „Ja“, sagte er. „Ganz recht: Ich bin kaum einen Kilometer weit gekommen, da zieht neben mir ein Polizeiauto an den Gehsteig und beginnt, mich zu verfolgen. Anscheinend war der Anblick eines rennenden schwarzen Mannes in diesem Teil der Stadt schon Anlass genug, ihn zu überprüfen.“
    „Du bist nicht in der Stadt groß geworden“, warf P. J. ein. „Sonst hättest du gewusst, dass es keine gute Idee war zu rennen.“
    „Ich hätte es auch besser wissen müssen. Ich bin zwar ein Junge aus der behüteten Vorstadt, aber ich hatte vier Jahre in Cambridge gelebt. Die Straßen waren so leer, dass ich einfach nicht daran dachte, dass Steifenwagen unterwegs sein könnten. Vielleicht war ich auch einfach zu übermütig, weil ich ein Bier zu viel getrunken hatte. Wie auch immer, ich halte an, und die Beamten fragen mich, wer ich bin, wo ich war und wohin ich unterwegs bin. Und vor allem, warum ich renne. Sie steigen aus ihrem Einsatzwagen, und es ist eindeutig, dass sie kein Wort von dem glauben, was ich sage. Das ärgert mich. Zu Recht. Also sage ich ihnen, dass der einzige Grund, warum sie mich angehalten haben, der ist, dass ich ein Afroamerikaner bin. Ich beginne, mich ausführlich über die Ungerechtigkeiten eines Staates auszulassen, in dem solche Vorurteile überleben können. Während ich spreche, greife ich in meine Hosentasche und will meinen Geldbeutel mit meinem Harvard-Studentenausweis rausziehen. Doch eh ich mich versehe, habe ich den Lauf von zwei Pistolen im Gesicht.“
    Er legte die Stirn in Falten. „Da ist bei mir einfach der Geduldsfaden gerissen. Ich meine, ich bin vorher schon angehalten und befragt worden. Es war also nicht meine erste Begegnung mit der Polizei. Aber die Waffen waren neu. Das hatte ich bisher noch nie erlebt. Diese Typen schreien mich also an, ich solle meine Hände aus den Taschen nehmen und über meinen Kopf heben, wo sie sie sehen können. Ich sehe sie an und bemerke, dass sie eine Heidenangst haben. Ihre Finger zittern über dem Abzug ihrer Waffen. Die Pistolenmünder, in die ich starre, sind riesig. Wenn ich Pech habe, schießen sie mir damit vor lauter Nervosität ein Loch in meinen Körper, das kein Chirurg der Welt wieder zunähen kann. Ich stehe da und denke: Scheiße, das war’s jetzt.

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