Brockmann Suzanne
aufgefasst werden, wenn ich nicht mit ihnen trinken würde.“
Das reichte. Nell platzte der Kragen. Sie stand auf und setzte ihr Glas unsanft auf den Tisch auf, sodass sein unberührter Inhalt über den Rand schwappte. „Können Sie noch geheimnisvoller tun, wenn man Sie etwas zu Ihrer Person fragt? Passen Sie bloß auf, dass Sie nicht zu viel verraten. Nicht, dass es mich interessieren würde.“
Nell war außer sich, aber Crash war klar, dass ihre Wut nicht wirklich ihm galt. Er war einfach in ihre Schusslinie geraten.
Während der letzten zwei Wochen hatte sie sich nicht weniger erfolgreich zusammengerissen als er. Aber aus irgendeinem Grund – und es war völlig gleichgültig, was der Auslöser gewesen war – hatte sie heute Abend ihre Schmerzgrenze erreicht.
Nun sah sie ihn mit weit aufgerissenen, Tränen gefüllten Augen an, als sei ihr gerade erst bewusst geworden, dass sie sich hatte gehen lassen.
Crash erhob sich langsam, um zu verhindern, dass sie sich erschrak und aus dem Zimmer rannte.
Aber sie lief nicht weg. Stattdessen zwang sie sich zu einem gequälten Lächeln: „Na, wenn ich nicht der Mittelpunkt dieser Party bin …“ Sie sah die anderen der Reihe nach entschuldigend an und sagte schließlich: „Es tut mir leid, Daisy, aber ich fürchte, ich muss jetzt gehen.“
„Und ich auch“, fügte Crash rasch hinzu. Er hoffte, dass Nell ihm erlauben würde, sie zu begleiten. Der Stress, dem sie in den letzten Wochen ausgesetzt gewesen war, musste die Hölle gewesen sein. Sie sollte jetzt nicht alleine sein und, ob er wollte oder nicht, er war der Einzige, der ihr jetzt Gesellschaft leisten konnte. Er griff nach ihrem Arm und zog sie sachte durch die Tür.
Sie schwieg, bis sie den Fuß der Treppe erreicht hatten, die in das obere Stockwerk des Farmhauses führte. Dann aber, beim Anblick des rosaroten Abendhimmels durch das Wohnzimmerfenster zu ihrer Linken, sagte sie: „Ich habe den beiden einen wirklich schönen Sonnenuntergang verdorben. Wie konnte ich nur?“
Crash wünschte, sie würde ihren Tränen freien Lauf lassen. Er wüsste, was zu tun wäre, wenn sie weinen würde. Er würde seine Arme um sie legen und sie so lange festhalten, bis sie seinen Halt nicht mehr brauchte.
Aber solange sie diesen endlosen Kummer, der sie erfüllte, genau wie die Tränen ihre Augen füllten, nicht raus ließ, war er machtlos.
„Es wird noch viele Sonnenuntergänge geben“, sagte er schließlich.
„Wie viele davon wird Daisy wohl noch sehen können?“ Sie drehte sich zu ihm und sah ihm forschend in die Augen, als hoffte sie, dort tatsächlich die Antwort zu finden. „Wahrscheinlich keine hundert, ja keine fünfzig mehr. Vielleicht zwanzig? Was meinen Sie? Zwanzig sind nicht wirklich viele.“
„Nell, ich denke nicht …“
Sie drehte sich abrupt um und begann, die Treppen hochzugehen. „So etwas darf nicht wieder vorkommen. Schließlich bin ich hier, um ihr zu helfen, und nicht, um ihr noch eine Last zu sein. Ich muss mich zusammenreißen.“
Er folgte ihr, indem er zwei Stufen auf einmal nahm, um sie möglichst schnell einzuholen. „Sie sind auch nur ein Mensch“, sagte er. „Seien Sie nicht so streng zu sich selbst.“
Sie hielt vor ihrer Zimmertür inne. Ihre Hand lag bereits auf der Klinke. „Es tut mir leid, was ich … was ich zu Ihnen gesagt habe.“ Ihre Stimme zitterte. „Ich hätte es nicht an Ihnen auslassen dürfen.“
Er hatte das Bedürfnis, sie zu berühren. Und er wusste, dass sie von ihm berührt werden wollte. Doch er brachte es nicht über sich. Er konnte das Risiko nicht eingehen. Nicht, ohne dass ihre Tränen ihm einen Vorwand lieferten. Und sie weinte immer noch nicht. „Es tut mir leid, dass meine … Zurückhaltung Sie frustriert.“
In dieser Aussage schwang mehr mit, als er beabsichtigt hatte. Sie entsprach auf mehr als nur einer Ebene der Realität zwischen ihnen. Doch Nell schien dies gar nicht wahrzunehmen. Sie sah nicht einmal auf.
„Ich glaube, ich muss jetzt schlafen gehen“, murmelte sie. „Ich bin schrecklich müde.“
„Wenn Sie möchten, dann …“ Dann was? Was konnte er denn nur für sie tun? „… dann bleibe ich noch eine Weile bei Ihnen, bis Sie eingeschlafen sind.“
Zuerst war er sich nicht sicher, ob sie ihn gehört hatte. Sie erwiderte lange Zeit nichts. Dann schüttelte sie jedoch den Kopf. „Nein, danke, ich …“
„Ich bin direkt nebenan, wenn Sie etwas brauchen“, erwiderte er.
Da drehte sich Nell zu ihm um und sah ihn
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