Broken (German Edition)
vergraben, die andere mit dem Handy am Ohr, während ich für Larry Quinn einen längst überfälligen Bericht zu der Krematoriumssache ausdruckte, einen Kurierdienst anrief, der ihn abholen sollte, und den Umschlag an meine Eingangstür pappte. Es störte mich, dass Rauser wartete. Ich hatte versucht, ihn wegzuschicken. Seine Unruhe in meinem Büro tat mir nicht gut. Und ich wollte mir beweisen, dass ich hier sein konnte. Allein. Ich war nicht leichtsinnig. Ich weigerte mich bloß, ständig Angst zu haben. So kann man nicht leben. Aber Rauser wollte nichts davon hören. Meine Gefühle interessierten ihn im Moment wenig. Auch dass ich meine Glock griffbereit hinten im Dienstholster trug oder dass ich beim FBI vier Jahre im Außeneinsatz gearbeitet hatte, ehe ich in die Abteilung für Verhaltensanalyse wechselte, spielte für ihn keine Rolle.
Wir gingen gemeinsam aus dem Büro, und ich lenkte Neils Smart durchs Stadtzentrum. Sonnenlicht fiel zwischen Wolkenkratzern hindurch und besprenkelte die Straßen. Es war fast fünf Uhr, und der Verkehr wurde dichter. An roten Ampeln war Neils kleiner blauer Knubbel von Auto wie eine Butterdose in der Sonne. Als ich an dem riesigen Einkaufszentrum Underground Atlanta vorbeifuhr, sah ich Rauser einige Wagen hinter mir abbiegen, um zur City Hall East zu fahren. Er hatte sich vergewissert, dass ich nicht verfolgt wurde. Uns war beiden nur allzu bewusst, dass meine Geschichte, meine Lebensweise und die Tatsache, dass ich Richards den Zugriff auf Miki blockiert hatte, reichlich Anlass boten, seinen Zorn auf mich zu ziehen. Mein Name war durch den Krematoriumsskandal erneut in den Nachrichten, aber diesmal erntete ich viel Anerkennung. Und Richards hatte mehr als deutlich bewiesen, dass er bereit war, mich ins Visier zu nehmen, wenn er nicht an meine Cousine herankam.
Ich rief meine Eltern an und erzählte ihnen von Mikis gebrochenem Bein und dass sie nach ihrer Rückkehr bei Rauser wohnen würde. Mutter erklärte prompt, sie werde Essen für Rausers Kühlschrank vorbereiten, das wir dann nur noch aufwärmen müssten. Zu meiner Überraschung sagte sie, dass sie es richtig genossen hatte, von Cops umgeben zu sein. Sie hatte gern Gesellschaft. Mein Dad war nie besonders redselig. Und sie hatte die Beamten als Versuchskaninchen für neue Rezepte benutzt.
Ich bog auf die Mitchell Street, einen Block von Tyrones Büro entfernt. Ich musste mich mit Tyrone versöhnen. Ich wollte nicht, dass sich der Graben zwischen uns vertiefte. Seine Aufträge waren ein wichtiger Eckpfeiler meines monatlichen Einkommens. Und ich mochte den Kerl. Was ich von einigen anderen, die ich in seiner Branche kennengelernt hatte, weiß Gott nicht behaupten konnte. Ich bedauerte den Ton unseres letzten Gesprächs. Ich wollte die Sache bereinigen. Sie war ein Stressfaktor, eine unnötige zusätzliche Belastung. Und eine, die ich tatsächlich aus der Welt schaffen konnte.
Diesmal warteten keine zudringlichen Schlägertypen auf mich. Sie hatten Tyrones Warnung ernst genommen und waren abgehauen. Ich lächelte. Und eine dicke Glock war schließlich auch sehr überzeugend. Nachdem ich endlich einen Parkplatz gefunden hatte, musste ich einen halben Block zu Tyrones schäbigem, gelb verputztem Gebäude zu Fuß zurücklegen. Die Farbe blätterte ab, und die Spitzen der Stuckverzierungen waren weiß. Im Vergleich zum übrigen Gebäude sahen die Glastüren auffällig neu aus. Dahinter ging rechts ein Flur mit geschlossenen Türen und schmutzigem Teppichboden ab, links war das Treppenhaus und geradeaus der Fahrstuhl, den ich allerdings nie benutze. Er bebt und ruckelt, und die verdreckten Knöpfe ekeln mich an. Aber das Treppenhaus stinkt. Im dritten Stock angekommen, hatte ich mich sogar an den Uringeruch gewöhnt. Allerdings machten sich meine Oberschenkel bemerkbar, eine weitere Mahnung, wieder mit dem Laufen anzufangen. Und die Hanteln aufzuheben, die auf meinem Wohnzimmerboden Staub ansetzten. Wenn man sie tatsächlich ein paarmal die Woche in die Hand nimmt und einige Male auf und ab bewegt, soll sich das erstaunlich positiv auf die körperliche Fitness auswirken. Sachen gibt’s. Vor Tyrones Büro blieb ich kurz stehen und verschnaufte. Ich wollte nicht rotgesichtig und außer Atem ankommen.
«Kann ich Ihnen helfen?» Heute saß tatsächlich eine Empfangssekretärin am Empfang. Sie war jung. Sehr. Und hübsch. Sehr. In Tyrones Büro sah man andauernd neue Gesichter. Ein Freund von ihm betrieb eine Zeitarbeitsfirma,
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