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Broken (German Edition)

Broken (German Edition)

Titel: Broken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Kyle Williams
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bezahlt und in bar, nicht?»
    «Hier hat’s nie einen Mitarbeiter gegeben», raunzte Mary Kate.
    «Suchen wir einen Kopierer und dann nichts wie weg», drängte Neil. «Mir geht’s hier drin gar nicht gut.»
    Ich drückte auf der Bedientafel einen Knopf, der mit Verbrennungskammerlicht beschriftet war. Ich war noch nie so nah an einem Krematoriumsofen gewesen. Ich wollte sehen, wie er von innen aussah. Irgendetwas versperrte mir die Sicht – ein gewaltiger Behälter, der aussah wie aus Hartkarton, die Sorte, die häufig zur Einäscherung verwendet wird. Er füllte fast den gesamten Innenraum aus. Ich konnte die Ränder der Keramikauskleidung der Kammer sehen, aber mehr auch nicht.
    «Was ist das?», fragte Mary Kate. Sie und Neil traten zwei Schritte näher.
    Ich drückte einen grünen pilzförmigen Knopf und hörte das Surren von Ventilatoren. Pfeilknöpfe zeigten nach oben und unten. Ich drückte den Pfeil für unten; die Transporträder rotierten rückwärts. Der Behälter rührte sich nicht. Er war zu weit in der Kammer. Ich sah mich im Raum um. Eine Metallstange mit einem Haken stand in der Ecke. Ich nahm sie, steckte sie in die Kammer und hakte sie unter dem Deckel ein. Dann zog ich, so fest ich konnte, und der Behälter bewegte sich ein paar Zentimeter.
    «Hilf mir mal», sagte ich zu Neil.
    «Bist du sicher?» Widerwillig legte er die Hände um die Stange und half mir ziehen. «Das gefällt mir nicht.»
    Wir schafften es, den Behälter so weit zurückzuziehen, dass die Transportrollen griffen. Die sargähnliche Kiste glitt gleichmäßig aus dem Ofen. Sobald sie weit genug draußen war, um den Deckel anheben zu können, drückte ich den großen Stoppknopf. Die Rollen drehten sich weiter. Ich drückte den Knopf ein zweites Mal. Nichts. Ein drittes Mal. Der Sarg näherte sich dem Ende.
    «Er fällt runter.» Mary Kate hatte ein aufgeregtes Zittern in der dünnen, alten Stimme.
    Ich versuchte, den Strom abzustellen. Ohne Erfolg. Ich schlug mit der Faust auf den Stoppknopf. Die hintere Hälfte des Behälters schob sich langsam von dem Transportband, fünf Zentimeter, zehn, fünfzehn. Ich drückte jetzt alle Knöpfe. Dreißig Zentimeter, sechzig. Ich wich zurück. Das Ding war nicht zu stoppen. Rückblickend hätten wir zumindest versuchen sollen, ihm eine sanfte Landung zu verschaffen. Doch wir standen bloß da und schauten zu, hielten uns wie blöde an unseren kleinen Taschenlampen fest. Als die Kiste gut einen Meter überstand, kippte die vordere Hälfte zu Boden und rutschte über die Fliesen. Dann fiel auch die hintere Hälfte von den Rollen und schlug mit einem dumpfen Knall auf. Mary Kate trat neben uns. Wir standen da und starrten auf den Behälter.
    Ich schob die Finger unter den Deckel und klappte ihn hoch. Ein bläulich bleicher und grässlich geschwollener, nackter Leichnam starrte mich aus offenen Augen an.
    «Heilige Scheiße!» , kreischte Mrs. Stargell.
    Ich beugte mich vor, um besser sehen zu können, leuchtete in die Kiste. «Da liegt nicht nur eine Leiche. Das sind drei oder vier, übereinandergestapelt.»
    Neil und Mary Kate sausten so schnell Richtung Tür wie Lindsay Lohan in einer Entzugsklinik. Sie versuchten, sich gleichzeitig durchzuzwängen. Mary Kate machte eine Seitwärtsdrehung und schlüpfte unter Neils Arm hindurch, flutschte raus in den Gang, als wäre sie aus einer Zahnpastatube gequetscht worden. Neil rannte ihr nach. Ich hörte sie kichern wie Jugendliche bei einem Slasher-Film. Die kleinen Verräter drehten sich nicht mal zu mir um.

[zur Inhaltsübersicht]
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    Z ugegeben, ich bin keine Expertin für die Arbeitsabläufe in einem Krematorium, aber ich wusste, das hier konnte nicht richtig sein. Ich betrachtete die Leichen zu meinen Füßen. Wieso waren sie nicht in den Kühlboxen? Wieso waren sie gestapelt? Als wären sie nichts. Als wären sie nur dafür da, entsorgt zu werden. Während ich auf sie hinabschaute, wie sie nackt dalagen, völlig ungeschützt und machtlos, gab es irgendwo Menschen, die ihren Tod betrauerten, ihr Fehlen – leere Stühle und Betten, Anrufe, die nicht mehr entgegengenommen wurden, all die gewohnten Dinge, vom Tod zerstört. Und jetzt lagen sie hier in einem Pappsarg auf einem abgenutzten Fliesenboden.
    Mary Kates Erklärung wäre gewesen, dass er ein fauler Schlawiner war, der sich einfach nicht die Zeit genommen hatte, sie richtig zu lagern. Aber das hier war schlimmer. Es war nicht nur unglaublich pietätlos, es war auch unsäglich dumm. Falls

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