Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Broken (German Edition)

Broken (German Edition)

Titel: Broken (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Kyle Williams
Vom Netzwerk:
sein. Ihre Augen wurden schmal. «Wenn wir dagegen gemeinsam von hier verschwinden und ich alles erfahren habe, was Sie erfahren haben, dann sieht die Sache schon ganz anders aus, und ich habe nicht das Bedürfnis, mit irgendwem drüber zu reden.»
    Ich ließ den Strahl meiner Lampe über sie wandern – silberweißes Haar, rosa Steppbademantel und bequeme Mokassins mit fester Sohle. «Neil, weih sie ein, und dann macht ihr zwei euch auf die Suche nach den Abrechnungen. Ich sehe mir mal den Kremationsraum an. Hübsches Outfit übrigens.»
    «Ich bin früher oft hier gewesen und hab Joe Ray senior – Gott hab ihn selig – Gesellschaft geleistet. Der Kremationsraum ist zwei Türen weiter. Direkt gegenüber sind die Kühlboxen. Es gibt nämlich eine Wartezeit, die eingehalten werden muss, und dafür müssen sie die Leichen schön kühl halten.»
    «Iiieh.» Neil schauderte.
    «Halten Sie bitte die Taschenlampe nach unten und weg von den Fenstern.» Ich konnte die Gereiztheit in meiner Stimme hören, aber es war mir egal. Ich wusste von der Wartezeit. Vierundzwanzig bis achtundvierzig Stunden in den meisten Bundesstaaten. Eine Sicherheitsmaßnahme für den Fall, dass Zweifel hinsichtlich der Todesursache aufkommen, die sich nach der Einäscherung in den meisten Fällen nicht mehr feststellen lässt. Bis auf wenige Ausnahmen. Knochenfragmente können verraten, wenn gewisse Gifte und Toxine mit im Spiel waren.
    «Warum bist du so gemein zu ihr?», fragte Neil mich in einem lauten Flüsterton. Auch sein Nervenkostüm wurde anscheinend immer dünner.
    «Weil ich die Nacht nicht im Gefängnis verbringen möchte. Und weil sie vielleicht in Wirklichkeit der Satan ist.»
    Wir sahen zu ihr rüber. Sie stand an dem großen alten Schreibtisch, lutschte an ihren falschen Zähnen und blickte mit einem missbilligenden Zungenschnalzen auf die Papiere und Flecken und leeren Cola-Dosen und den vollen Aschenbecher. Mary Kate setzte sich die Brille auf, die sie an einer Kette um den Hals hängen hatte, und ließ sich in den Schreibtischsessel plumpsen. Die Brille war an den Ecken nach oben geschwungen wie die von Catwoman. «Wenn Joe Ray senior ein Grab hätte, in dem er sich umdrehen könnte, dann würde er das tun.» Sie blickte auf und fügte allen Ernstes hinzu: «Er wurde natürlich eingeäschert.»
    «Natürlich», sagte ich.
    «Natürlich», sagte Neil.
    Sie öffnete eine Schublade und fing an, Kirkpatricks private Papiere mit dem Eifer einer Agentin im Kalten Krieg zu durchstöbern. Neil, Stiftlampe zwischen die Zähne geklemmt, widmete sich einem Stapel Unterlagen auf dem Boden vor einem Schredder.
    Ich ließ die beiden allein und ging zu der Tür, die in den Kremationsraum führte. Resopaltheke und Schränke wie im Empfangsraum. Auf der Theke lag ein Klemmbrett mit Kugelschreiber. Eine breite, glänzende Edelstahlkammer schien in der Wand am Ende des Raumes zu verschwinden. Ein Achtung -Schild mit Warnungen vor hohen Temperaturen hing darüber. Vor dem Ofen befand sich ein etwa anderthalb Meter langes Edelstahl-Transportband, und direkt davor stand eine Rolltrage.
    Ich warf einen Blick auf die Kremationsliste. Das oberste Blatt war leer. Ich sah mir das nächste an. Kein Eintrag. Dann ging ich den Stoß Blatt für Blatt durch. Nicht eine einzige protokollierte Einäscherung. Was hatte das zu bedeuten? Zumindest, dass Kirkpatrick nicht ordnungsgemäß seinen Papierkram machte. Die Aufzeichnungen waren gesetzlich vorgeschrieben. Alles, was mit einem Leichnam geschieht, muss dokumentiert werden. Er kann nicht einfach verschwinden. Vielleicht hatte Mrs. Stargell recht damit, dass er faul war. Faul, nachlässig und gierig. Wahrscheinlich hatte er die Urne selbst fallen lassen und beschlossen, sie mit den getürkten Überresten zu füllen, damit er bezahlt wurde. Aber der Schuss war nach hinten losgegangen. Er hatte die Wades für alles entschädigen müssen.
    Neil und Mary Kate tauchten an der Tür auf, mit großen Augen und breit grinsend – Starsky nach einer Geschlechtsumwandlung und Hutch auf Droge. Mary Kate wedelte mit einem Stapel Papiere. «Wir haben hier alles, was Sie wollten. Stromrechnungen und Lieferscheine.»
    «Ausgezeichnet.» Ich sah mir gerade die Bedientafel an, die rechts vom Ofen angebracht war. «Sehen wir nach, ob es einen Kopierer gibt, und kopieren wir alles.»
    «Ich hab auch einen Blick in die Steuerakten geworfen», sagte Neil. «Kein Mitarbeiter gemeldet. Aber er hat ja gesagt, den hätte er schwarz

Weitere Kostenlose Bücher