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Broken Lands

Broken Lands

Titel: Broken Lands Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Milford
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Point. Es geschah in West Brighton, und Jin wäre beinahe darüber gestolpert.
    Sie hatte sich umgedreht und mit einem Mal wieder in einer Gasse hinter einem Gebäude gestanden, das den Geräuschen nach zu urteilen ein weiterer Saloon war. Gibt es in dieser Stadt nichts als dunkle Gassen und Saloons? , dachte sie verärgert. Und dann war sie fast auf die Leiche getreten.
    Sicher lag da ein Betrunkener vor ihr. Sie machte einen vorsichtigen Schritt zurück. Als sich die Gestalt am Boden nicht rührte, wirbelte sie herum, weil sie eine Falle vermutete und verhindern wollte, von hinten niedergeschlagen zu werden. Aber nichts passierte. Jin wartete, bis ihr Herzschlag sich etwas beruhigt hatte, wich dem Hindernis auf dem Boden aus und wollte ihrer Wege gehen.
    Doch sie blieb stehen. Sie drehte sich zu dem Bündel am Boden um. Sie streckte das Bein aus und schob mit der Fußspitze die alten Zeitungen beiseite, die über das Ding ausgebreitet waren. Das Papier rutschte zur Seite, widerstrebend und steif, ganz anders, als Papier rutschen sollte. Es war mit irgendetwas befleckt, aber Jin achtete nicht darauf. Sie sah nur noch das, was darunter verborgen gewesen war.
    Sie schrie. Sie schrie und schrie weiter, bis ihre Hände, die sich verkrampft hatten, schlaff wurden und sie das kleine Glasröhrchen fallen ließ, das sie festgehalten hatte. Es prallte vor ihren Füßen auf den Boden und zerbrach. Gleichzeitig wurde ein blendend roter Feuerball, gespickt mit scharfen Glassplittern, in die Luft geschleudert. Doch Jin merkte von alldem nichts. Sie schrie so lange, bis die Schwärze sich vom Rand ihres Blickfelds vor ihre Augen schob und sie auf dem schmutzigen Boden zusammenbrach.
    «So, so.»
    Englisch. Schimmernde Gesichter. Sie war schon einmal irgendwo gewesen, wo es geschimmert und man Englisch gesprochen hatte. Jin leckte sich über die Lippen. «Bin ich in der Wüste?»
    «In der Wüste?» Das Gesicht mit dem Hut lachte rau. «Nein, Sonnenschein. Du bist in Coney Island.»
    Sie tastete nach ihren Augen und wollte das Schimmern wegwischen. Ein zweites Gesicht tauchte über ihr auf. «Kannst du aufstehen?»
    Jin nickte. Umsichtige Hände – respektvolle Hände – hoben sie auf und setzten sie auf einen Stuhl. Die Gesichter und der Raum ringsum nahmen allmählich Gestalt an. Ein Klavier, vor dem ein Schemel mit einer schäbigen Samtpolsterung stand; Lithographien von nicht näher bezeichneten Landschaften an den Wänden; derselbe Druck von Custers letzter Schlacht, der in jedem Hotel, Saloon und Restaurant hing; bunt zusammengewürfelte Tische und Stühle. Eine lange Bar aus Mahagoni mit einem fleckigen Spiegel dahinter und ordentlich aufgereihten Gläsern. Ein schwacher Geruch nach Alkohol, Holzpolitur und Sägespänen.
    Ein Saloon ohne Kundschaft. Wie konnte es auch anders sein. «Hier gibt’s überall Saloons», sagte sie zittrig.
    «Weißt du, wie du hergekommen bist?», fragte der Mann mit dem Hut.
    Jin schüttelte den Kopf und zuckte zusammen, als es ringsum wieder schwarz wurde.
    «Warte eine Sekunde», sagte der zweite Mann und verschwand.
    Der Mann mit dem Hut zog einen Stuhl herbei und setzte sich neben sie. «Der Typ, der dich hergebracht hat, hat gesagt, er habe Schreie gehört, eine Explosion, und dann noch mehr Geschrei. Als er dich fand, hast du ständig wiederholt: ‹Sam sagte, ich soll in den Reverend Dram gehen.›»
    «Hol tief Luft.» Der zweite Mann kam mit einem Bündel Lappen und einem Glas zurück. «Dann trink das. Aber atme nicht die Dämpfe ein.»
    Der scharfe Alkoholgeruch zog ihr dennoch in die Nase. «Riecht wie Whiskey.»
    «Es ist Whiskey.»
    Jin trank das Glas in einem Zug aus und keuchte, in ihrer Kehle und in ihrem Magen brannte es wie Feuer. «Aber kein guter Whiskey», stieß sie hervor.
    Die beiden Männer, die gerade einen vielsagenden Blick wechselten, drehten sich um und starrten sie an. «Was zum Henker verstehst du von Whiskey, junge Dame?», wollte der Mann ohne Hut wissen.
    «Ich weiß, dass ein guter Whiskey einem nicht die Augenbrauen versengt, bevor man ihn trinkt. Ich war schon mal in Kentucky.» Sie legte die Hand an ihre Schläfe und stöhnte, als ihre Finger dort eine Beule ertasteten, die sich – unmöglich, aber wahr – so groß anfühlte wie ein Ei.
    «Ich habe dir doch gesagt, du sollst ihn nicht einatmen, und für medizinische Zwecke reicht das Zeug voll und ganz.» Er hielt ihr den Lappen hin. «Leg dir das auf den Kopf.»
    Das Lappenbündel war voller Eis. Jin

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