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Brombeersommer: Roman (German Edition)

Brombeersommer: Roman (German Edition)

Titel: Brombeersommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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folgt mir nach.«
    Wie schwer Ediths Kopf auf seiner Schulter lag. DieHaarkämme hatten sich gelockert, und einzelne Strähnen kitzelten ihn am Hals. Ediths Mund stand ein bisschen offen, als sei sie erstaunt darüber, dass sie so plötzlich eingeschlafen war. Karl strich sanft über ihre Nase.
    Theo dachte, wie schön es wäre, mit einer Frau im Arm einzuschlafen. Er verscheuchte den Gedanken wieder. Erst musste er das Studium abschließen, er konnte ja noch gar keine Familie ernähren. Bei Kriegsbeginn hatte er, da er sich freiwillig meldete, das Notabitur bekommen. Jetzt wollte er Verwaltungsjurist werden. Das Land brauchte dringend Juristen. Die alte Garde bekam nur nach und nach Persilscheine, zu linientreu nationalsozialistisch waren viele Juristen in den Jahren zuvor gewesen.
    Hermann Gronau erzählte zu später Stunde, dass er vor kurzem einem Kameraden geholfen habe, der von der britischen Militärpolizei gesucht werde. »Was hat er schon gemacht?«, murmelte er. »Befehl war Befehl.« Und lauter sagte er: »Freunden steht man zur Seite.«
    Er fuhr die, die kein Auto hatten, nach Hause, also alle. Zum Teufel, auf ihn konnte man sich immer verlassen.

10
     
    Am 7.   Dezember 1946 heirateten Edith und Karl. Sie feierten bei Karls Eltern. Außer ihnen waren Karls ältere Schwester Elisabeth, ihr Mann Fritz und die Trauzeugen die einzigen Gäste.
    Draußen war es eisig kalt, schon seit Wochen. Die Kohlezuteilung für Privathaushalte war auf Anordnung der britischen Militärregierung seit zwei Wochen völlig gestrichen, selbst für den Kochherd gab es nichts mehr, kein Scheit Holz, kein Brikett. Karl und Theo hatten am Vorabend versucht, im Wäldchen nahe der Osterlohschen Bleibe heimlich etwas Holz zu schlagen, aber auf die Idee waren schon andere gekommen. Sie fanden nur noch eine traurige, kahle Fläche.
    »Hier standen mal Bäume«, stellte Theo fest und steckte einen Tannenzapfen in die Manteltasche, der wohl jemandem vom Handwagen gefallen war.
    »Im Stadtpark brauchen wir es gar nicht erst zu versuchen«, sagte Karl. »Da war ich schon. Da steht nicht mal mehr eine Parkbank, geschweige denn ein Strauch.«
    Immerhin brachte Karls Schwester Elisabeth, die auf dem Land lebte, eine Tasche Brennholz mit. Theo hatte als Hochzeitsgeschenk einen Stuhl aus dem Haus seiner Eltern zu Kleinholz gemacht. »Vaters nationalsozialistischer Fanatismus geht mir langsam auf die Nerven«, sagteer. »Wir werden uns irgendwann damit abfinden müssen, dass es nicht mehr wird, wie es war, und wir nicht mehr sind, was wir glaubten. Wir sind besiegt, wir liegen am Boden, wir müssen von vorn anfangen. Und vorher werden wir noch manches alte Möbel verbrennen.« Er hielt ein Stuhlbein in die Höhe. »Auf das Brautpaar!«
    »Auf das Brautpaar!«, fiel Viola ein. »Und auf eine bessere Zukunft!«
    Niemand antwortete. Fritz bekam einen roten Kopf. Karl drückte Edith an sich. Seine Mutter rückte auf dem schon gedeckten Tisch die Teller zurecht, sein Vater verließ die Küche. Karls Schwester Elisabeth sah besorgt auf die anschwellenden Adern an den Schläfen ihres Mannes. Neben seinem bulligen Körper wirkte sie noch zierlicher, als Theo sie in Erinnerung hatte.
    »Fritz«, sagte sie in die betretene Stille hinein, »könntest du mir wohl schnell helfen, die Herdklappe aufzumachen?« Sie stand neben dem Herd, die Topflappen in der Hand und machte sich an der Ofentür zu schaffen. »Die klemmt   … Fritz?«
    Fritz griff wortlos nach dem eisernen Schürhaken, der an der Seite des Herdes hing.
    Theo wich einen Schritt zurück.
    »Die Engländer lassen uns an Hunger und Kälte verrecken, nachdem sie unsere Städte und unsere Zivilbevölkerung zusammengebombt haben, diese kriminellen Schweine«, sagte Fritz mit gepresster Stimme. Er machte drohend einen Schritt auf Theo zu. »Das sind die besseren Zeiten. Leuten wie dir, mein lieber Theo, verdanken wir die Niederlage.« Er packte Theo an der Krawatte. »Ichhabe immer gesagt, in den eigenen Reihen müssen wir aufräumen. Von da fault der Baum. Unsere eigenen Landsleute sind es, die die Zersetzung des Wehrwillens betrieben haben und am Ende weiße Fahnen aus den Fenstern hängten wie Memmen.«
    »Genug«, sagte Karl. »Es ist genug.«
    Elisabeth nahm ihrem Mann den Schürhaken aus der Hand. »Natürlich, Fritz«, sagte sie. »Jetzt können wir aber gleich essen. Setzt euch doch. Wisst ihr eigentlich, was es gibt? Hühnerfrikassee mit Kartoffeln!« Sie lächelte, und Theo sah, dass ihre

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