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Brombeersommer: Roman (German Edition)

Brombeersommer: Roman (German Edition)

Titel: Brombeersommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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sagte, er sei müde und wolle gern zu Bett gehen. Er sagte nicht, dass es ihm auf einmal schrecklich unangenehm war, auf dem Sofa im Wohnzimmer bei Inge zu übernachten. Gott sei Dank ging ihr Schlafzimmer vom Flur ab, wie das Wohnzimmer auch.
    Nachdem Annegret sich verabschiedet hatte, brach Karl der Schweiß aus. Gleich würde Inge ihm das Bett auf dem Sofa einrichten, eine viel zu intime Handlung.
    »Vielen Dank für die Einladung, Inge, und den Abend mit Annegret heute, nach all den Jahren. Sei nicht böse, aber ich würde gern bald schlafen gehen. Morgen früh will ich gleich zu Jan und mittags wieder auf den Zug. Ich konnte im Atelier nicht freinehmen und muss sehen, dass ich am Montagmorgen wieder bei der Arbeit bin«, log er.
    Inge war sichtlich enttäuscht. »Wolltest du dir nichtden Montag noch freinehmen, damit wir zwei noch ein bisschen Zeit füreinander haben? Das ist wirklich schade. Dann musst du eben wiederkommen«, lachte sie tapfer.
    »Ja, sicher«, antwortete Karl, merkwürdig erschöpft. Er legte die Hände in den Nacken und bog den Kopf zurück.
    »Möchtest du ein paar Hausschuhe?«, fragte Inge, die sich jetzt daranmachte, das Sofa für ihn herzurichten.
    Karl schüttelte verneinend den Kopf.
    »Ich habe noch Hausschuhe von Paul da«, erklärte sie. »Oder vielmehr, die hat er vergessen mitzunehmen, als er auszog. Wer weiß, dachte ich mir, vielleicht können sie es ja mal einem andern Mann bei mir gemütlich machen.«
    »Danke, Inge, es ist alles wunderbar. Ich brauche gar nichts weiter. Du sorgst sehr gut für mich.«
    Sie klopfte das Kopfkissen auf dem Sofa zurecht und freute sich über das Kompliment. »Das ist schön. Komm nur bald wieder. Das ist ja bloß ein Blitzbesuch. Aber es kommt mir vor, als hätten wir uns erst gestern das letzte Mal gesehen. Du hast dich gar nicht verändert.«
    Er nahm aus seiner Reisetasche das kleine Päckchen, das er ihr mitgebracht hatte.
    »Das habe ich dir noch gar nicht gegeben«, sagte er entschuldigend.
    Sie strahlte und setzte sich auf das Sofa, um das Geschenk auszuwickeln. Dazu klopfte sie mit der Hand einladend neben sich auf die Decke. »Setz dich doch zu mir!«
    Aber Karl blieb stehen und lächelte nur verlegen.
    »›Die Rohrdommel ruft jeden Tag‹«, las Inge vor und drehte das Buch hin und her.
    »Das sind Kurzgeschichten«, sagte Karl. »Mir gefallen sie sehr. Kennst du Wolfdietrich Schnurre? Ich dachte, sie könnten dir gefallen.«
    »Ach, schön«, meinte Inge, »vielen Dank. So ein ganzer Roman wäre mir zu lang, aber mal eine Geschichte, wenn einem langweilig ist   …«
    Sie stand auf und bedankte sich mit einem Kuss. Karl wandte sich erschrocken weg, und ihr Mund streifte nur sein Ohr.
    »Wann musst du denn morgen früh aus dem Haus?«, fragte er und schlug sich lächelnd an die Stirn, als sie ihn verdutzt ansah. »Entschuldige, wie dumm. Morgen ist ja Sonntag! Wann stehst du denn sonntags auf? Ich kann mich aber auch ganz leise aus dem Haus schleichen, wenn du gern ausschlafen willst. Du brauchst mir keinen Kaffee zu machen.«
    »Kommt gar nicht in Frage«, sagte sie entschieden. »Es gibt ein schönes Frühstück mit Frühstücksei, damit du den Besuch im Krankenhaus auch gut überstehst.«
    »Du bist wirklich sehr fürsorglich«, gab sich Karl geschlagen.
     
    Karl erkannte Jan sofort. Er saß in einem mit braunem Kunstleder bezogenen Sessel neben dem geöffneten Fenster. Draußen schien die Sonne, und ein duftig blauer Maimorgen spannte sich über die Stadt. Aber bis hierher kam der Frühling nicht.
    Die Betten des Zimmers waren alle belegt, aber außer Jan waren nur zwei Männer im Raum, als Karl hereintrat. Ein Mann lag angezogen auf dem Bett und starrte indie Luft, der andere blätterte lustlos in einer bunten Illustrierten, auf deren Seiten man die junge Königin Elizabeth von England huldvoll lächeln sah.
    Jan wendete den Kopf zur Tür und betrachtete Karl, ohne dass sein Gesicht eine Regung zeigte, und er blieb auch bewegungslos sitzen, als Karl das Krankenzimmer durchschritt und auf ihn zukam. Karl war darauf vorbereitet, dass Jan mager war, trotzdem erschrak er, ihn so elend zu sehen. »Er isst nicht, und ich weiß nicht, was sie in der Klinik anstellen wollen, um ihn aufzupäppeln«, hatte Annegret ihn vorgewarnt.
    Befangen streckte Karl dem Freund die Hand hin, aber der schien die Geste nicht einmal zu bemerken. Karl fuhr sich verlegen über die Haare, traurig und befremdet legte er dem Kameraden schließlich die Hand

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