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Brombeersommer: Roman (German Edition)

Brombeersommer: Roman (German Edition)

Titel: Brombeersommer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dörthe Binkert
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landschaftlich schöner sein. Kleine, verträumte Buchten, Felsen, an denen Dörfer kleben wie Vogelnester, Olivenbäume   … Ästhetisch bist du ein Banause, Dicker.« Karl sah Viola in ihrem Bikini in einer stillen, menschenleeren Bucht im Sand liegen, und es war niemand da außer ihnen beiden. Theo war in einer Trattoria verloren gegangen.
    »Ich habe drei Tütenlampenschirme. Du nur einen«, gab Theo zurück.
    »Wo sind denn die Zugverbindungen besser?«, redete Viola dazwischen.
    »Das ist nicht das Problem«, erwiderte Theo, »da kommt man überall hin.«
    »Viola soll entscheiden«, fand Karl. »Adria oder Riviera?«
    »Links«, antwortete sie.
    »Von wo aus gesehen?«, fragte Karl.
    »Na, so, wie man draufsieht natürlich«, rief Viola. »Jesus, Maria und Josef! Wir fahren an die Riviera!«
    Karl war glücklich. Sie wollte, was auch er wollte, in die kleinen, versteckten Buchten, wo niemand sonst anzutreffen war. Theo würde sicher überall bei den Einheimischen seine Sprachkenntnisse aus Kriegszeiten auffrischen wollen. Er aber würde mit Viola ins Meer hinausschwimmen. Und danach würden sie auf dem Badetuch liegen, so nahe am Wasser, dass der Wellensaum mit jeder auslaufenden Welle weiß über ihre nackten Füße kroch. Wasserperlen würden aus ihren Haaren tropfen, Sand an ihren nassen Beinen kleben, und er würde Viola den Rücken mit Niveaeincremen, ehe sie die Augen schloss und in der Sonne eindöste.
    Viola wollte gleich am nächsten Tag zum Bahnhof, um die Zugverbindungen zu klären. Theo aber sagte »Lentamente, cara Violetta. Vielleicht leiht mein Vater uns seinen Lloyd. Dann könnten wir mit dem Auto fahren. Lasst mich mal machen.«
    »Schafft es der Leukoplastbomber denn über die Alpen?«, fragten Karl und Viola aus einem Mund.
    »Selbstverständlich. Wenn ihr schiebt, schon«, antwortete Theo. Er hatte während des Krieges in Italien Autofahren gelernt und war der Einzige von den dreien, der einen Führerschein hatte.
    Viola war entzückt von der Idee. »Da könnten wir ein paar Vorräte mitnehmen. Meine Freundin Karin, die war schon mal in Italien, mit dem Zelt. Alles wunderbar, hat sie gesagt, traumhaft, nur die Nudeln kochen sie nicht richtig in den italienischen Restaurants. Auch die Ravioli   – alles halb gar!«
    »Quatsch«, fuhr Theo dazwischen. »Ich war im Krieg lange genug in Italien. Die Karin hat keine Ahnung. Die Nudeln müssen so sein. Biss müssen sie haben.«
    »Si, amore!«, sagte Viola und gab ihm einen Kuss. »Das werden wir in Italien überprüfen.«

42
     
    »Das freut mich für dich, mein Junge«, sagte Karls Mutter, als er ihr von seinen Reiseplänen berichtete. Aber er war sich nicht sicher, ob sie das auch so meinte. Seit er geschieden war, war sie noch stiller geworden. Als ob für sie das große Glück sowieso nicht mehr vorgesehen wäre, nur das kleine des Sich-Abfindens und Zufriedengebens. Aber sie liebte ihn sehr, das wusste Karl.
    Mit seinem Vater lag es anders. Der Respekt, den Karl für ihn empfand, war mit einem Unwohlsein vermischt, das in seiner Kindheit Angst gewesen war, und auch mit dem Gefühl, weit voneinander entfernt zu sein.
    »Bevor du große Reisen planst, solltest du erst mal etwas Geld auf die hohe Kante legen«, sagte Karls Vater, »wenn du schon keine richtige Anstellung hast. So, wie du jetzt arbeitest, hängst du doch ungesichert in der Luft. Kein festes Gehalt, kein Pensionsanspruch. Wovon willst du denn im Alter mal leben?«
    Karl schwieg. Das Alter, mein Gott, bei seinen Nieren! Der Vater würde niemals ins Ausland reisen. Karl dachte an Theo, der ziemlich offen gegen seinen Vater aufbegehrte, als hätte der Vater mit dem verlorenen Krieg auch sein Recht auf Autorität und Einflussnahme verwirkt. Eigentlich hatte Theo recht. Die Väter waren im Krieg gewesen. Aber die Söhne auch. Die Väter wussten nichtsmehr besser, und die Söhne waren erwachsen geworden. »Vater, ich bin gerade mal zweiunddreißig.«
    »Du bist nicht gerade mal zweiunddreißig, du bist schon zweiunddreißig.«
    Karl sah in das ebenmäßige Gesicht seines Vaters mit den ausgeprägten Kieferknochen und dem sinnlichen Mund. Sie sahen sich ähnlich. Aber den Oberlippenbart könnte der Vater endlich mal abrasieren, dachte Karl, oder breiter stehen lassen.
    »In dem Punkt hat Edith recht gehabt«, fuhr sein Vater fort, »du übernimmst zu wenig Verantwortung. Ein Mann hat Pflichten.«
    Wie müde Karl da wurde. Was ein Mann alles musste! All die Pflichten, hätte er

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