Brombeersommer: Roman (German Edition)
erwiderte er. »Ziemlich giftige sogar.«
Sie sah ihn böse an.
»Nun ist aber gut«, sagte Theo. »Sonst kommt gleich ein Löwe um die Ecke und frisst euch beide auf. Wenigstens habe ich dann meine Ruhe.«
Da fuhren sie im hellblauen Käfer fort und sagten Ronco ade. Es war ihnen wehmütig ums Herz.
Sie hatten alle drei sonnenverbrannte Haut. Viola trug die neue Sonnenbrille, die sie in Ascona gekauft hatten. Das äußerst modische Souvenir sollte sie an den Süden erinnern. Karl hatte etwas von dem blühenden Unkraut gepflückt, das »dort oben im Himmel«, wie er den Ort nannte, zwischen den Steinplatten wuchs. Natürlich wusste er, dass es bis nach Hause kaum überleben würde. Aber einen Stein hatte er auch eingepackt, dessen silbriger Glanz ihn an die Spur des Mondes im Lago Maggiore und das der Zeit entrückte Glück erinnern sollte, das sie zu dritt im Tessiner Urwald erlebt hatten.
51
Zu Hause war alles noch so, wie sie es verlassen hatten. Das Wetter war schön. Auch hier im Norden war es Sommer.
Helene Matussek hatte Violas Blumen gegossen, die Post aus dem Briefkasten genommen und sogar Staub gewischt.
Karl hatte keine Pflanzen, doch hatte Mrs. Richard für ihn den Briefkasten geleert.
Theo war zufrieden. Als er gut erholt wieder ins Büro kam, freuten sich alle. Täuschte er sich oder hatte seine Sekretärin sich zu seinem Empfang extra hübsch gemacht? Sie hatte ihm zur Begrüßung sogar Blumen auf den Schreibtisch gestellt.
Der Büroalltag ließ sich hervorragend an. Theo hatte vor dem Urlaub in einer kniffligen Rechtssache bezüglich sich überschneidender Kompetenzen einen Lösungsvorschlag zu einer besser definierten und gerechteren Kompetenzverteilung entwickelt, und dieser Vorschlag war von allen Seiten angenommen worden. Man beauftragte ihn mit der Ausarbeitung seiner Vorschläge. Diese Nachricht versetzte ihn in so gute Laune, dass er seine Sekretärin, Fräulein Winterhannes, zum Mittagessen einlud. Sie strahlte, und weil sie sich so freute, sagte er: »Ich kenne ein nettes Lokal, nicht weit von hier, wo man draußen sitzen kann.«
Viola hatte Mühe, sich wieder an die alte Umgebung zu gewöhnen. Die Heimat gefiel ihr plötzlich nicht mehr. Überall sah man noch die Verwüstungen des Krieges, und die neu errichteten Häuser waren grau und einfallslos. Klar, es hatte an Material, Geld und Zeit gefehlt, die Menschen brauchten ein Dach über dem Kopf. Aber trotzdem. Auch das alte Steinhaus in Ronco war grau, aber wie anders lebte und liebte es sich dort. Viola erschrak. Das Wort »Liebe« hatte auf einmal etwas Verwirrendes bekommen.
»Hallo«, ein Kollege streckte den Kopf in ihre Werkstatt. »Gut wieder aus den Ferien nach Hause gekommen?«
Viola stand schlecht gelaunt auf und schloss die Tür.
Karl hatte sich nicht gerührt, seit sie zurück waren. Wahrscheinlich war er seelenruhig in sein Atelier gegangen. Viola trat mit dem Fuß gegen die gusseiserne Flanke der Nähmaschine und tat sich weh. Aber worüber war sie eigentlich wütend? Sie waren ja erst eine Nacht zurück. Hätte Karl denn bei Theo und ihr übernachten sollen? Oder gleich bei ihnen einziehen mit seinem lächerlichen kleinen Koffer?
Seit der Rückkehr hatte sie auch einen ihr selbst unverständlichen Groll gegen Theo. Dabei war Theo nun wirklich nicht vorzuwerfen, dass sie Karl liebte. Er schien es doch sogar zu ahnen und zu dulden – bis zu einem gewissen, nein ungewissen Grad. Vielleicht hatte Theo ja eine andere? Daran hatte sie noch gar nicht gedacht, so beschäftigt war sie in Gedanken mit Karl gewesen. Wie seit eh und je.
Ach, Karl, dachte Viola, wie soll ich denn plötzlich nicht mehr an dich denken, nur weil du mich endlich auch liebst.
Als Theo bester Stimmung von seinem ersten Arbeitstag nach Hause kam, stand Viola im Bad, sortierte die schmutzige Ferienwäsche nach bunt und weiß und weinte vor Ratlosigkeit.
»Was hast du denn?« Theo nahm sie in den Arm und gab ihr einen Kuss auf die Stirn.
»Ich will eine Waschmaschine!«, sagte sie schluchzend und stampfte mit dem Fuß auf.
»Ist ja gut«, sagte Theo, der noch nie viel nachgefragt hatte.
Sie hatten nichts für die nächsten Tage vereinbart, als Theo Karl am Ende der langen Rückreise aus dem Tessin zu Hause abgesetzt hatte. Sie nahmen nicht groß Abschied, denn darüber, dass sie sich wiedersehen würden, brauchten sie kein Wort zu verlieren. Aber ebenso spürten alle drei, dass sie Zeit brauchten, um sich wieder in den
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