Bronzeschatten
ist unschuldig!« beharrte Marcellus.
»Das sind die meisten Mörder – wenn man sie fragt!« Marcellus war klug genug, seinen Ärger nicht zu zeigen. »Konsul, Helena Justinas Plan scheint mir wirklich die vernünftigste Lösung …«
»Nein! Das kommt nicht in Frage. Mein Sohn soll seinen Namen und seinen Rang wieder einnehmen. Es muß einen Weg geben.«
»Sie beabsichtigen, unter allen Umständen zu ihm zu halten?«
»Er ist mein Erbe.«
Wir drehten eine Runde unter einer Pergola.
»Konsul, eine Rehabilitation dürfte schwer sein. Was, wenn Vespasian findet, daß es zu viele Fragen aufwirft, wenn man Tote ins Leben zurückholt? Da Ihr beträchtliches Vermögen unbestreitbar ein Motiv für einen Betrüger darstellt, könnte es dem Kaiser gefallen zu behaupten: ›Dieser Mann ist ein hergelaufener Freigelassener, der aus dem Tode seines Herrn Profit schlagen will!‹ «
»Ich verbürge mich für seine wahre Identität.«
»Ach, Konsul! Sie sind ein alter, kranker Mann, der seinen heißgeliebten Erben verloren hat. Da ist es nur natürlich, daß sie sich wünschen , er wäre noch am Leben …«
» Helena wird für ihn bürgen!«
Ich grinste. »Wie wahr. Und welch ein Glück für ihn!«
Wir hielten beide einen Moment inne und lächelten unwillkürlich bei dem Gedanken daran, wie Helena bei jedem Irrtum und jeder Verwechslung mit fliegenden Fahnen herbeieilte, um die Wahrheit aufzudecken.
»Sie hätten sich niemals trennen dürfen!« klagte der Konsul verbittert. »Ich hätte es nicht zulassen dürfen. Helena hat die Scheidung nie gewollt …«
»Helena Justina glaubt an die Ehe als ein Band inniger Gemeinschaft, das vierzig Jahre hält. Aber sie wußte auch, daß die Ehe mit Ihrem Sohn diesem Ideal nicht entsprach.«
»Oh, die beiden könnten schon miteinander auskommen! Mein Sohn hat eine große Zukunft. Es muß etwas für ihn getan werden …«
»Ihr Sohn, Konsul, ist ein ganz gewöhnlicher Verbrecher!« Das war zwar die Wahrheit, half uns aber nicht weiter. Also fügte ich in versöhnlicherem Ton hinzu: »Ich denke, Vespasians altmodischer Respekt vor einem Patriziernamen wird Pertinax Marcellus schützen; er wird am Leben bleiben und sich um die Totenmasken Ihrer Ahnen kümmern können. Auf einen Verbrecher mehr im Senat kommt es schließlich nicht an!«
»Was für eine gehässige Einstellung.«
»Ich nenne die Dinge nur beim Namen, Konsul, ich habe das Gefängnis in Herculaneum kennengelernt; es ist barbarisch. Wenn ich Pertinax Ihrer Obhut unterstelle, habe ich dann Ihr Ehrenwort, daß Sie ihn auf dem Anwesen festhalten?«
»Selbstverständlich«, versetzte er pikiert. Ich war zwar nicht überzeugt davon, daß Pertinax sich an die Abmachung halten würde, doch mir blieb keine andere Wahl. Marcellus konnte ein Heer von Sklaven aufbieten, um die Verhaftung seines Sohnes zu verhindern. Die bewaffnete Kavallerie, mit der Pertinax versucht hatte, mir vor Capua den Weg abzuschneiden, bestand vermutlich aus Schmieden und Wagenlenkern vom Gut, denen man mit Eisenhelmen ein martialisches Aussehen verpaßt hatte.
»Er wird sich verantworten müssen für das, was man ihm zur Last legt«, warnte ich.
»Mag sein«, antwortete der Konsul obenhin.
Sein unerschütterliches Selbstvertrauen frustrierte mich über die Maßen; da sprachen wir über Hochverrat und Mord, aber es war mir überhaupt nicht gelungen, ihm den Ernst der Lage vor Augen zu führen.
Die Unterredung war offensichtlich beendet.
Ich fand Helena auf ihrem Balkon. Strahlend eilte ich auf sie zu; sie hatte sich auf einem Ruhebett ausgestreckt und nippte an einem Becher Wasser.
»Fühlst du dich nicht wohl?«
»Bin nur noch nicht ganz wach …« Als sie lächelte, trat ein feuchtes Schimmern in ihre Augen, das mir den Atem stocken ließ.
»Hör zu, was Pertinax angeht, so sind wir jetzt auf die Kurierdienste angewiesen. Aber so wie ich die Beamten im Palast kenne, sollten wir nicht allzu bald mit einem Schiedsspruch rechnen …« Helena suchte in meinem Gesicht nach einer Reaktion. Ich stockte, dann fragte ich leise: »Wie lange weißt du es schon?«
»Seit dem Bankett.«
»Und hast mir kein Wort gesagt!«
»Bist du etwa eifersüchtig auf Pertinax ?«
»Unsinn! Natürlich nicht …«
»Marcus!« schalt sie sanft.
»Na ja, was erwartest du? Letzte Nacht dachte ich, er sei aus demselben Grund in dein Schlafzimmer gekommen wie ich.«
»Oh, das bezweifle ich!« Sie lachte trocken. Ich saß auf der Balkonbrüstung und versuchte, mir
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