Bronzeschatten
Leuten mit empfindlichem Magen mit freundlichen Anfragen durchaus nicht gedient ist.
Larius, der ganz vernarrt war in Schiffe und sich auf See nie unwohl fühlte, lehnte neben mir und genoß die Überfahrt. Als die schier endlosen Klippen der Sorrentiner Halbinsel gemächlich vorbeizogen, hielt er das Gesicht in den Wind, ließ sich vergnügt vom Gischt besprühen und blinzelte hinaus auf das sonnenüberflutete Panorama.
»Onkel Marcus, Helena hat gesagt, ich soll mit dir reden.«
»Wenn’s um dein verdammtes Wandgemälde geht; dafür bin ich jetzt nicht in der Stimmung.«
»Nein, es geht um Ollia.«
»Oh, das kann doch bloß ein Scherz sein!« Er sah mich vorwurfsvoll an. »Entschuldige! Na, schieß los.«
»Ollia bekommt kein Kind. Da hat Silvia sich geirrt. Zwischen Ollia und dem Fischerjungen ist nichts passiert …«
»Meine Güte, warum hat sie es dann nicht geleugnet? Oder wenigstens er?«
»Das haben beide getan.«
»Stimmt. Also was ist nun wirklich los?«
»Er lief hinter ihr her, und sie wußte nicht, wie sie ihn loswerden sollte. Alle anderen haben die falschen Schlüsse gezogen …«
»Alle außer dir, wie?«
Larius wurde rot. Ich verkniff mir ein Lächeln. Ernsthaft fuhr er fort: »Ollia hatte solche Angst vor Silvia, daß sie sich nicht getraute, die Wahrheit zu sagen.« Ich grinste. »Der Fischerjunge wollte gar nichts von ihr …«
»Ja, aber was wollte er dann?«
»Er möchte nach Rom. Um vorwärts zu kommen.« Ich schnaubte verächtlich. »Ach, er ist gar kein so übler Kerl«, versicherte Larius. »Petro sagt, jetzt, wo er sich so angestrengt hat, sollten wir ihn auch mitnehmen. Mein Vater könnte ihn als Ruderer einstellen. Dann wäre ich frei …«
»Ach, und wozu?«
»Um Freskenmaler in Pompeji zu werden.«
Eigentlich hatte er sich ganz gut herausgemacht, seit wir aus Rom fort waren. Er bedrängte mich nicht weiter wegen seiner künstlerischen Ambitionen, aber wahrscheinlich nur, weil ohnehin schon alles abgemacht war.
»Na, dann bestell Ollia meinen Glückwunsch …«
»Ach, apropos Ollia …«
Ich stöhnte, um nicht laut herauszulachen. »Ich kann’s mir schon denken. Ollia hat erkannt, daß ihr Traummann ein Laternenpfahl mit schwarzen Fingernägeln ist, der obendrein Gedichte rezitiert, stimmt’s?« Larius versteckte die Hände hinterm Rücken, aber ich stellte erfreut fest, daß er mir ansonsten standhielt.
Sie hatten einen dieser hübschen, reizenden Pläne, mit denen junge Leute sich so vorschnell das Leben vergällen. Larius bestand darauf, ihn mir zu schildern: heim nach Rom; Beichte bei seiner Mutter; zurück nach Pompeji; Berufsausbildung; Geld verdienen und sparen, bis man sich ein Zimmer mit Balkon würde mieten können …
»Mit Balkon! Unabdingbar für einen alleinstehenden Herrn!«
»Onkel Marcus, warum bist du nur immer so zynisch?«
»Ich bin ein Junggeselle, der die Segnungen des Balkons genießt!«
Ach ja, und dann würden sie heiraten; zwei Jahre warten, bis Larius mehr Geld beisammen hatte; im Abstand von je zwei Jahren drei Kinder bekommen; und den Rest ihrer Tage beschaulich damit zubringen, das freudlose Leben anderer Leute zu beklagen. Es gab zwei Möglichkeiten; entweder würde sich das auswachsen und Ollia mit einem Sandalenschuster durchbrennen – oder Larius (wenn ich ihn richtig einschätzte) würde das ganze verrückte Luftschloß Wirklichkeit werden lassen.
»Helena Justina hat das also alles herausbekommen? Was meint sie denn dazu?«
»Sie hält es für eine gute Idee. Helena hat mir auch meinen ersten Auftrag gegeben«, setzte Larius verschmitzt hinzu. »Ich habe ihr ein Porträt gezeichnet: dich im Tiefschlaf mit offenem Mund.«
»Das hat sie bestimmt nicht behalten, oder?«
»Freilich! Sie wollte ein Souvenir …«
Ich sagte nichts, weil ein Matrose aus dem Ausguck meldete: Capreae.
Als wir losgesegelt waren, war es bedeckt gewesen. Doch als wir uns jetzt der Insel näherten, riß die Wolkendecke mit einemmal auf, und wir glitten im gleißenden Sonnenlicht über ein azurblau strahlendes Meer.
Aus dem Haupthafen kam uns eine Regatta von Vergnügungsbooten entgegen, deren Segel wie dunkelrote Tupfen über die Wellen hüpften. Wäre die Isis Africana bei dieser scheinbar willkürlichen Jagd mit von der Partie gewesen, hätten wir sie wohl nie entdeckt, aber Curtius Gordianus gab Laesus Weisung, den Kurs zu ändern. Langsam und gründlich erforschten wir die einsamen Buchten, die nur vom Meer her zugänglich sind. Rings um
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