Bronzeschatten
Gordianus an Deck; seine Elefantenohren waren von einer Kapuze verdeckt, gerade so, als könne er seit dem Tode seines Bruders nicht mehr richtig warm werden. Sein Gesicht war immer noch grünlich-bleich, aber auf dem kahlen Schädel leuchteten rosa Flecken vom Sonnenbrand.
Wir gaben uns die Hand wie zwei Oberbefehlshaber im Krieg.
»Schön, daß wir endlich wieder zusammenkommen, Falco! Immer munter und wohlauf?«
»Ein paarmal bin ich nur mit knapper Not davongekommen. Vor ein paar Tagen hat Pertinax versucht, mich auf die gleiche Weise aus dem Weg zu räumen, wie er es auch schon bei Ihnen probiert hat … Wie sind Sie dahintergekommen, daß er noch lebt?«
»Sie hatten ganz recht, mein Bruder hat tatsächlich versucht, mich zu warnen. Er hinterlegte den Brief bei seinem Bankier. Nachdem Sie Kolonna verlassen hatten, wurde er mir überbracht.«
»Und wie geht es Ihrem verwundeten Stellvertreter, Gordianus?« Halb und halb hatte ich die Antwort schon erwartet. Gordianus schlug die Augen gen Himmel: Der junge Priester war tot. Noch eine Mordanklage gegen Pertinax, leider wie immer ohne Beweise.
Die Skorpion segelte in die Bucht hinaus. Gordianus erkundigte sich, ob ich das Schiff wiedererkannt hätte. Ich verneinte, und wirklich, gesehen hatte ich es noch nicht, aber als Gordianus dem Kapitän zurief, er solle Kurs auf Capreae nehmen, fiel mir ein, daß ich wohl schon von der Skorpion gehört hatte. Der Kapitän war ein alter Bekannter von mir: ein lebhaftes Kerlchen mit glänzenden kleinen Knopfaugen und einem Hut wie ein umgestülpter Wiesenchampignon, der nun darauf wartete, endlich erkannt zu werden.
» Laesus! Was wäre das an einem anderen Tag für eine freudige Überraschung!«
Ich stellte meinen Neffen vor, der mit seinem Künstlerblick Laesus’ seltsam verschieden hälftiges Gesicht musterte. Plötzlich kam mir ein Gedanke, und ich blickte prüfend zwischen Gordianus und dem Kapitän hin und her. »Kennen Sie beide sich etwa schon lange?«
Gordianus lachte. »Nein. Wir trafen uns zufällig, als ich ein Schiff suchte, um meinen Hausstand von Kolonna nach Paestum zu überführen. Später fiel Ihr Name, und ich erfuhr von Ihren gemeinsamen Abenteuern.«
»Es gehört schon Glück dazu, jemand Zuverlässigem zu begegnen.«
»Stimmt. Laesus bleibt, bis diese Sache geregelt ist. Er hat mir geholfen, Aufidius Crispus zu finden; als Crispus dann meine Vermutung über den wahren ›Barnabas‹ bestätigte, hat Laesus sich zusammen mit Milo an Pertinax’ Fersen geheftet.« Wir lehnten uns an die Reling, und die Mannschaft setzte das Großsegel für die Wende vor der Küste von Surrentum. »Falco, was halten Sie von diesem Rufus?« fragte Gordianus unvermittelt. »Mir macht der Mann einen ziemlich nachlässigen Eindruck.«
»Oh, er ist intelligent und sehr gewissenhaft.« Ich war nicht so dumm, Gordianus gegenüber einen jungen Senatsbruder zu kritisieren, bloß weil der ein Faible für alten Wein und junge Kellner hatte. Andererseits war der verpatzte Versuch, Pertinax festzunehmen, wirklich unverzeihlich. »Seine Tolpatschigkeit in der Villa Marcella spricht, denke ich, für sich selbst.«
Gordianus räusperte sich mißbilligend. »Unreif und egoistisch!« lautete sein markiges Urteil über den Magistrat. Deshalb hatte er privat Pertinax weiter verfolgt, obwohl er dessen offiziellen Haftbefehl schon angezettelt hatte.
Mit einer plötzlichen Erkenntnis wandte ich mich an Milo: »Wenn du Pertinax auf der Spur warst, dann mußt du auch dabei gewesen sein, als er meinen Freund im Gasthof überfallen hat!« So war es. Milo machte mich immer wütend – aber noch nie so wie jetzt. »Jupiter und Mars! Warum hast du Petronius Longus denn nicht gewarnt?«
»Pertinax hatte nach Ihnen gefragt!« schnaubte Milo gehässig. »Tut mir leid, daß wir nicht bleiben und Ihrem Freund helfen konnten, aber wir hatten Order, Pertinax zurück zur Jacht zu folgen …«
Ich flüchtete ans andere Ende des Schiffes, um den Verwalter nicht in lauter kleinen, mundgerechten Stücken an die Fische zu verfüttern.
Die Fahrt nach Capreae ist immer weiter als vermutet. Der mürrische alte Kaiser Tiberius hatte seinen Lieblingssitz nicht von ungefähr gewählt; es blieb reichlich Zeit, Besuchern ein grimmiges Willkommen zu bereiten, bevor einlaufende Schiffe anlegten.
Ich wurde nicht seekrank, aber mir graute die ganze Zeit über davor.
»Geht es dir gut, Onkel Marcus?« fragte Larius fürsorglich. Ich erklärte ihm, daß
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