Bronzeschatten
zusammengesunken wie eine Seeanemone, ein matschiger grauer Klecks, der am Mauerwerk klebt und zusehends blasser wird, je näher die Sonne rückt.
»Haben Sie Kinder?« fragte ich in der Hoffnung, ihn irgendwie zu erreichen.
»Vier. Und jetzt noch die zwei von meinem Bruder.«
»Und Ihre Frau?«
»Die ist tot, den Göttern sei Dank …« Jede Frau, die was auf sich hält, hätte ihm dafür bestimmt liebend gern einen Tritt gegeben; ich dachte dabei ganz besonders an eine . Vielleicht las er es mir vom Gesicht ab. »Und Sie? Sind Sie verheiratet, Falco?«
»Nicht direkt.«
»Also jemanden im Auge?« Ich zögerte kurz und nickte dann. »Kinder haben Sie demnach keine?« fragte er weiter.
»Nicht, daß ich wüßte – und das sage ich nicht einfach so dahin. Mein Bruder hatte ein Kind, das er nie gesehen hat; so was wird mir nicht passieren.«
»Was geschah mit Ihrem Bruder?«
»Er ist gefallen. In Judaea. Ein Heldentod angeblich.«
»Wie lange ist das her?«
»Drei Jahre.«
»Ah … wie wird man mit einem solchen Schicksal fertig?«
»Wir ertragen die plumpe Aufdringlichkeit von Leuten, die den Toten kaum gekannt haben; wir errichten ihm Monumente, die seinen wahren Freunden keinen Eindruck machen! Wir gedenken seiner an seinem Geburtstag, trösten seine Frau, sorgen dafür, daß seine Kinder mit ein wenig elterlicher Kontrolle aufwachsen …«
»Und hilft das?«
»Nein, nicht wirklich … Nein.«
Beide lächelten wir bitter, dann wandte Gordianus sich mir zum erstenmal richtig zu.
»Vespasian hat Sie offenbar geschickt, weil er auf Ihre Überredungskünste vertraut. Anscheinend meinen Sie es ehrlich. Also, was raten Sie mir?«
Ich dachte immer noch an Festus und antwortete nicht gleich.
»O Falco, Sie können sich nicht vorstellen, was mir alles durch den Kopf gegangen ist!« Und ob ich das konnte. Gordianus gehörte zu jenen von Zweifeln geplagten Defätisten, die ihre ganze Brut über die Klinge springen lassen und anschließend einen getreuen Sklaven dazu bringen, daß er sie auch noch niedermetzelt. Ein Typ wie Gordianus sollte sich nie auf Hochverrat einlassen. Wenn er sich in diesem Schlamassel behauptete, dann hatte er nichts Schlimmeres getan, als was viele Senatoren tagtäglich beim Mittagessen im Kopf durchspielen.
Darum waren diese Leute auch so wichtig. Darum ging der Kaiser so behutsam mit ihnen um. Manch ein Komplott wird über den kalten Artischocken vom Dienstag ausgeheckt und ist bei der Sardellenpaste vom Mittwoch schon wieder vergessen. Curtius Gordianus strahlte dagegen eine glühende Leidenschaft aus. Nur hatte er sich mit Amateuren eingelassen, die aus lauter Trotz ihr Spiel noch weitertrieben, obwohl jeder andere aus reinem Selbsterhaltungstrieb längst wieder zu achtbaren Zerstreuungen zurückgekehrt wäre – zu Trinken und Glücksspiel zum Beispiel, oder zu dem beliebten Sport, die Frau des besten Freundes zu verführen.
»Also, Falco, welche Alternative bleibt mir?«
»Vespasian wird nichts dagegen haben, daß Sie sich auf Ihre Güter zurückziehen …«
»Ich soll meine Ämter niederlegen?« Als echten Römer schockierte dieses Ansinnen ihn zutiefst. »Ist das ein Befehl?«
»Aber nein. Verzeihen Sie, ich …«
Er warf mir einen forschenden Blick zu. Ich erinnerte mich der selbstbewußten Attitüde, mit der er sich bei unserer ersten Begegnung als Oberpriester vorgestellt hatte, und entschied, daß sein zerbröseltes Ego nur mittels eines angesehenen öffentlichen Amtes wieder aufgepäppelt werden könne.
»Der Kaiser war sehr beeindruckt davon, daß Sie ein geistliches Amt übernommen haben, wenn es ihm auch lieber wäre, Sie würden sich für einen anspruchsvolleren Posten zur Verfügung stellen …« Ich hörte mich schon an wie Anacrites.
»Zum Beispiel?«
»Paestum.«
Jetzt verschlug es Gordianus die Sprache. Nach dem Exil an dieser rauhen Küste war der mächtige Tempelbezirk von Paestum der schiere Luxus. »Paestum«, wiederholte ich das Zauberwort. »Eine zivilisierte Stadt in angenehmem Klima. Dort duften die Veilchen am süßesten, und die Rosen der Parfümeure blühen zweimal im Jahr …« (Paestum: an der Westküste Kampaniens – und in Vespasians Machtbereich)
»In welcher Position?« Jetzt redete er endlich wie ein Senator.
»Darüber zu verhandeln, habe ich keine Vollmacht. Aber auf dem Weg hierher hörte ich, daß im großen Heratempel eine Stelle frei ist …«
Er nickte, ohne zu zögern.
Ich hatte es geschafft. Ich hatte Curtius Gordianus
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