Bronzeschatten
schimpfte Gordianus, dem jetzt offenbar der Geduldsfaden riß. Ich war völlig seiner Meinung. »Haben Sie ihn denn gekannt?« fragte er überrascht.
»Nicht nötig«, antwortete ich düster. »Ich kannte seine Frau.«
Curtius Gordianus schwieg einen Augenblick und sagte dann: »Nehmen Sie sich in acht. Atius Pertinax war ein destruktiver Mensch. Er mag ja tot sein, aber ich glaube, wir sind vor dem unheilvollen Einfluß dieses Mannes noch nicht sicher!«
»Wie meinen Sie das, Senator?« Wenn er den orakelnden Oberpriester markieren wollte, hatte ich keine Lust, ihn ernst zu nehmen.
Plötzlich lächelte er. Sein Gesicht legte sich dabei in unschöne Falten, und seine Zähne waren von der Sorte, die man tunlichst nicht in der Öffentlichkeit entblößen sollte – fleckig und mit lauter abgebrochenen Ecken. »Wer weiß, vielleicht kaue ich ja nachmittags Lorbeerblätter!«
Na, das erklärte wenigstens den Zustand seiner Zähne.
Ich konnte das Thema nicht weiter verfolgen, denn der Suchtrupp war zurückgekehrt – natürlich ohne unseren Mann. Aber sie hatten doch etwas gefunden, was mir vielleicht weiterhelfen würde. Im Tempel, hinter dem Sockel des Allerheiligsten, hatte ein Notizbuch gelegen, das wohl eher dem Angreifer als dem Hilfspriester gehörte: Es enthielt ein paar Notizen, die offenbar Wirtshausrechnungen galten (Heu: ein As; Wein: zwei Asse; Essen: ein As …) . Das schien auf einen gewissenhaften Menschen hinzudeuten, der Gastwirten nicht über den Weg traute – die Auswahl war riesig! Was mir besonders ins Auge sprang, war eine Liste mit lauter Daten (hauptsächlich im April, aber auch noch im Mai) und daneben Namen (Galatea, Lusitania, Venus von Paphos, Concordia …). Pferde waren damit wohl nicht gemeint, denn die hatten eher kriegerische Namen. Kunstwerke vielleicht – die Auktionsliste eines Händlers? Wenn es sich um Statuen oder Bilder handelte, die alle innerhalb von sechs Wochen den Besitzer gewechselt hatten, dann mußte irgendwo eine berühmte Sammlung aufgelöst worden sein; Geminus würde sich da auskennen. Eine weitere Möglichkeit war, daß es sich hier um eine Segelliste handelte und die Namen Schiffe repräsentierten.
Für mich gab es jetzt am Kap Colonna nichts weiter zu tun. Ich wollte fort. Beim Abschied warnte Gordianus mich eindringlich: »Dieser Freigelassene ist zu gefährlich, als daß einer allein mit ihm fertig werden könnte. Falco, Sie brauchen Hilfe. Sobald Milo mich nach Paestum begleitet hat, schicke ich Ihnen den Mann zur Verstärkung …«
Ich bedankte mich höflich und schwor mir insgeheim, diesem Schicksalsschlag wenn irgend möglich auszuweichen.
Als ich wieder nach Kroton kam, traf ich zufällig Laesus. Ich hatte nicht erwartet, ihn wiederzusehen, und er schien ebenfalls erstaunt, mich zu sehen. Ich erfuhr, daß dieser neunmalkluge Laesus, während ich am Strand von Kap Colonna herumgeplanscht hatte, nach Tarentum gesegelt war. Mein grundehrlicher neuer Freund erzählte mir, er habe sich auf Pertinax’ ehemaligem Gehöft (jetzt Teil der kaiserlichen Besitzungen) nach Barnabas erkundigt.
»Wen haben Sie denn gefragt?«
»Na, wer hätte wohl am ehesten was von ihm gehört? Seine Mutter, die garstige Hexe. Beim Zeus, Falco!« klagte Laesus. »Das heimtückische alte Luder hat mich mit einer Pfanne voll siedenden Fetts aus dem Haus gejagt!«
»Laesus, Sie müssen die Weiber einwickeln, bevor die ’ne Waffe zu fassen kriegen. Werfen Sie das nächste Mal eine Börse über die Schwelle, aber denken Sie dran, daß so eine Alte normalerweise auf zwanzig Meter Entfernung sieht, ob ein Beutel bloß mit Steinen gefüllt ist!«
Laesus war viel zu aufgeregt, um sich meine Lektion zu Herzen zu nehmen. »Die wollte kein Geld, sondern mein Blut. Das widerliche Weib ist als Sklavin zur Welt gekommen, ist aber jetzt frei und hat Leute, die sich um sie kümmern – dafür hat Barnabas wohl gesorgt.«
»Ihr liebender Sohn! Wie war sie denn so?«
»Gerochen hat sie wie die Achselhöhle von ’nem Tiger. Außerdem hat sie rein gar kein Zeitgefühl. Aber falls die bekloppte alte Schachtel überhaupt was weiß, dann können Sie die Erbschaft von dem Freigelassenen getrost behalten. Soweit ich verstanden habe, hält seine Mutter ihn für tot.«
Ich lachte.
»Laesus, ich wette, das denkt meine Mutter von mir auch; das heißt aber nur, daß ich ihr seit einer Woche nicht mehr geschrieben habe!«
Die Ereignisse am Kap Colonna hatten bewiesen, daß Barnabas alles andere
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