Bronzeschatten
ruderte, und ein kleiner Fettwanst, der sich behaglich am Bug zurücklehnte. Ich machte mich nützlich und schnappte ihr Ankertau, sobald sie anlegten. Der Ruderer schiffte an; ich packte den Bug des Bootes; der Dicke stieg aus; dann legte der Matrose sofort wieder ab. Ich versuchte, mir nicht überflüssig vorzukommen.
Der Mann, der an Land gegangen war, trug hirschlederne Stiefel, an deren Verschnürung kupferne Halbmonde klimperten. Der Matrose hatte ihn Bassus genannt. Er war der Typ rollendes Faß, womöglich auf Rädern, der überall im Leben eine mächtige Schneise für sich plattwalzt.
Wir gingen den Strand hinauf. Ich taxierte ihn.
Wahrscheinlich hatte er je ein Bankfach in allen großen Häfen von Alexandria über Carthago und Massilia bis Antiochia, trug aber als vorsichtiger Seemann trotzdem stets genug Gold bei sich, um sich in unwirtlichen Gewässern von Piraten freizukaufen oder mit Kleinstadtbeamten zu würfeln, wenn er an Land ging. Er trug Ohrringe und einen Nasenklips und so viele Amulette, daß die Große Pest von Athen geflohen wäre. Sein Sonnengottmedaillon hätte einem normal gebauten Mann den Brustkasten eingedrückt.
Er war nicht einmal der Kapitän. Die Peitsche im Gürtel verriet mir, daß er bloß der Bootsmann war – der Aufseher, der jedem Ruderer auf der Isis das Fell abzog, der es wagte, das Schiff beim Krabbenfangen ins Schwanken zu bringen. Bassus verströmte das ruhige Selbstvertrauen eines Mannes, dessen Körperumfang ihm in jeder Kneipe Respekt verschafft. Wenn das bloß der Bootsmann war, dann hielt Aufidius Crispus, der Besitzer, sich vermutlich für einen Pflegebruder der Götter.
»Sie kommen von der Isis , ja?« eröffnete ich das Gespräch. Bassus ließ sich herab, mich flüchtig aus dem Augenwinkel zu mustern. »Ich muß dringend mit Crispus sprechen. Können Sie mir weiterhelfen?«
»Er ist nicht an Bord.« Kurz und schmerzlos.
»Das nehme ich Ihnen nicht ab!«
»Glauben Sie, was Sie wollen«, versetzte er gleichgültig.
Wir waren schon fast an der Straße. Ich versuchte es noch einmal. »Ich habe einen Brief, den ich Crispus aushändigen muß …«
Bassus zuckte die Achseln und streckte mir die Hand hin. »Geben Sie ihn mir, wenn Sie wollen.«
»So einfach geht das nicht!« (Außerdem hatte ich den Brief des Kaisers oben im Gasthaus gelassen.)
Der Bootsmann – bisher ziemlich passiv – bildete sich nun doch eine Meinung über mich. Sie war unvorteilhaft. Er machte sich nicht die Mühe, mir das zu sagen. Er schlug einfach vor, ich solle ihm den Weg freimachen, was ich als entgegenkommender Mensch auch tat.
Während Bassus am Horizont verschwand, ging ich zurück zu Larius und trug ihm auf, Petronius so rasch wie möglich zu finden. Dann lenkte ich meine Schritte zurück zum Landungssteg und verlor mich abermals in dem Anblick von Aufidius Crispus’ Jacht.
Ich muß zugeben, daß ich es ausnahmsweise als etwas hinderlich empfand, Nichtschwimmer zu sein.
XXXVI
Die Bucht von Oplontis bot den gewohnten Anblick wüsten Strandlebens: dumpfiger Seetang, zerbrochene Amphoren, angeschwemmte, salzsteife Fischernetze und die vergessenen Schals junger Mädchen, die anderes im Sinn haben, als auf ihre Sachen aufzupassen. Wespen steuerten im Sturzflug halb abgeknabberte Melonenschalen an. Rostige Degen und Schulterspangen bargen für unachtsame Spaziergänger Lebensgefahr. Wem es gelang, die durchtriebenen Bälger abzuwimmeln, die überteuerte Fangfahrten anpriesen, der trat statt dessen auf eine Qualle, die sich nur tot gestellt hatte.
Es wurde langsam Abend. Ein unsichtbarer Filter schien das grelle Tageslicht zu dämpfen; flirrende heiße Luft kühlte ab, und mit den Schatten, die sich plötzlich dehnten, legte sich ein magischer Hauch über die Szene, der das Strandleben beinahe angenehm erscheinen ließ. Menschen, die müde waren, hörten auf zu arbeiten. Familien, die des Streitens müde waren, trollten sich. Kleine Pinscher hörten auf, beharrlich die größten Bulldoggen zu belästigen, und begnügten sich mit jeder Hündin, die sie mit knapper Not bespringen konnten.
Ich schaute zum Gasthof. Larius hatte sich auf die Suche nach Petronius gemacht, und auch Ollia war, samt ihrem Kavalier, verschwunden. Der Strand lag ungewöhnlich öde da. Außer den Hunden und mir sah ich nur noch eine Gruppe junger Männer, Ladenschwengel nach Feierabend, die ziemlich lautstark Federball spielten, während ihre Freundinnen Treibholz für ein Feuer herbeischleppten.
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