Bronzeschatten
Die Fischer, die sich sonst hier breit machten, waren entweder schon losgesegelt, um nach Einbruch der Dunkelheit mit dem Strahl ihrer Laternen die Thunfischschwärme aufzubringen, oder aber sie waren noch nicht von ihren, übrigens einträglicheren, Touristenfahrten zum Felsen von Capreae zurück, von dem Kaiser Tiberius einst Leute gestürzt hatte, von denen er sich beleidigt fühlte. Für mich hatte man nichts weiter übriggelassen als ein einziges umgestülptes Skiff, das im schrägen Licht der sinkenden Sonne silbrig zu schimmern begann.
Ich bin kein kompletter Idiot. Und diese dickbäuchige Nußschale sah ganz so aus, als hätte sie schon geraume Zeit hier gelegen. Natürlich schaute ich nach, ob etwa die Planken durchbohrt waren oder ob an einem Lenzloch der Spund fehlte. Mein handliches Boot wies keinerlei Mängel auf – oder zumindest keine, die einer übervorsichtigen Landratte aufgefallen wären.
Ich fand ein herrenloses Ruder, das an irgend jemandes wurmstichiger Mole lehnte, und dann ein zweites unter dem Skiff, sobald ich’s geschafft hatte, es auf den Kiel zu stemmen. Ich schulterte mein Boot und schleppte es hinunter ans Wasser, unterstützt von den Freundinnen der Ladenschwengel, die froh waren über einen respektablen Zeitvertreib, bevor es dunkel wurde und ihre Verehrer auf dumme Gedanken kamen. Ich drehte mich ein letztes Mal nach Larius oder Petro um, aber da keiner von beiden sich blicken ließ, kletterte ich ins Skiff, brachte mit gespielter Tapferkeit den Bug zum Schaukeln und ließ mich von den Mädchen ins Wasser schieben.
Ein klobiges Stück Zimmermannsarbeit hatte ich da erwischt. Der Trottel, der es gebaut hatte, war wohl an dem Tag nicht ganz auf der Höhe gewesen. Es schlingerte über die Wellen wie eine beschwipste Fliege, die auf einem faulen Pfirsich tanzt. Ich brauchte einige Zeit, bis ich heraushatte, wie man dieses verrückte Ding auf Kurs hielt, aber schließlich kam ich doch ein gutes Stück voran. Die Brise fächelte mir angenehme Kühlung ins Gesicht, war aber ansonsten nicht gerade hilfreich. Das gestohlene Ruder hatte ein zerfressenes Blatt, und das andere war zu kurz. Der grelle Widerschein des Wassers frischte meinen Sonnenbrand auf und zwang mich, die Augen zusammenzukneifen. Aber das alles focht mich nicht an. Die Hartnäckigkeit, mit der Aufidius Crispus sich einer harmlosen Befragung widersetzte, bestärkte mich in dem Entschluß, koste es, was es wolle, an Bord der Isis und hinter das große Geheimnis zu kommen.
Ich legte mich kräftig in die Riemen, bis ich die halbe Strecke zwischen Oplontis und dem Schiff zurückgelegt hatte, und gratulierte mir zu meinem Elan und meiner Tatkraft. Vespasian würde stolz auf mich sein. Jetzt war ich dem Ziel schon so nah, daß ich den Namen lesen konnte, der hoch am Bug in eckigen griechischen Buchstaben prangte. Ich grinste triumphierend … und spürte plötzlich etwas, was meine Siegesstimmung schlagartig umkippen ließ.
Ich hatte nasse Füße.
Kaum, daß ich die Kälte von unten wahrgenommen hatte, stand ich auch schon bis zu den Knöcheln im Salzwasser, und mein glückloses Skiff begann zu sinken. Sobald das Tyrrhenische Meer entdeckte, daß es durch die morschen Planken dringen konnte, sprudelte es von allen Seiten herein, und mein armes Boot soff in Sekundenschnelle unter mir ab.
Ich konnte nichts weiter tun als die Augen schließen, mir die Nase zuhalten und darauf hoffen, daß eine gutmütige Nymphe mich aus dem Wasser ziehen würde.
XXXVII
Larius holte mich raus. Ein Tanz mit einer Nereide hätte mehr Spaß gemacht.
Mein Neffe hatte offenbar meinen Aufbruch beobachtet und kam rechtzeitig bevor ich unterging. Immerhin war sein Vater Flußschiffer. Mit knapp zwei Jahren konnte Larius schon schwimmen. Er hielt nichts von dem verbissenen batavischen Kraul, das in der Armee gelehrt wurde. Mein Neffe hatte einen grauenhaften Stil, war aber dafür pfeilschnell.
Als ich zu mir kam (mit einem Gefühl, als habe mich ein Ungeheuer verschlungen und anschließend gegen eine Betonmauer wieder ausgespuckt), verrieten mir meine schmerzenden Körperteile, wie Larius meine Rettung zuwege gebracht hatte. Ich hatte Prellungen am Hals von seinem heroischen Zugriff und ein aufgeschlitztes Ohr, weil ihm mein Kopf im Eifer des Gefechts gegen eine Ankerboje geschmettert war. Meine Beine hatte er am scharfen Strandstein wundgeschleift, und zum guten Schluß wurde ich von Petronius Longus unter Einsatz seines Körpergewichts ins
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