Bronzeschatten
verwundbar; daß einer mit treuherzig verlogenen Augen ihr weismacht, er könnte die Hände nicht von ihr lassen, schadet eher …«
Wir waren an einer Ecke stehengeblieben und funkelten uns kampfeslustig an. Ich zupfte an einer von Helenas neuen Haarsträhnen. »Bist du in ein Infektionsbad geraden, oder fängst du an zu rosten?«
»Das heißt ägyptische Kupfersinfonie . Gefällt’s dir nicht?«
»Wenn du dich schön findest damit.« Ich fand’s scheußlich und hoffte, sie würde das merken. »Willst du damit jemand Bestimmtem imponieren?«
»Nein. Die neue Farbe gehört einfach zu meinem neuen Leben.«
»Was hat dir denn an dem alten nicht gepaßt?«
»Du, hauptsächlich.«
»Ich mag’s, wenn ein Mädchen aufrichtig ist – aber man braucht’s nicht gleich zu übertreiben! Da ist das Gericht. Ich lauf schnell rein und bestell dem Magistrat, daß eine ägyptische Karotte ihn erwartet, und dann geh ich heim und bezirze seine Schwester mit meinen lydischen Arpeggios!«
Helena Justina seufzte und legte mir die Hand auf den Arm, um mich zurückzuhalten.
»Vergiß Aemilius Rufus. Ich bin deinetwegen gekommen.«
Ich wartete, bis sie meinen Arm losließ, bevor ich sie wieder ansah.
»So? Und was willst du?«
»Das ist schwer zu erklären.« Die Bangigkeit in den schönen, klaren, weit auseinanderstehenden Augen brachte mich schlagartig wieder zur Vernunft. »Aber ich habe den Verdacht, daß jemand, von dem ich offenbar nichts wissen soll, in der Villa rustica herumschleicht …«
»Wie kommst du darauf?«
»Ich höre Männerstimmen, nachdem Marcellus angeblich längst zu Bett gegangen ist. Die Dienstboten wechseln heimlich Blicke …«
»Ängstigt dich das?« Sie zuckte die Achseln. Wie ich sie kannte, war sie eher wütend, daß man sie irrezuführen versuchte. Aber ich bekam es mit der Angst. Ich hatte den Nachmittag frei und bot ihr an, sie nach Hause zu begleiten.
»Ich bin mit Marcellus’ Hausverwalter gekommen. Er macht Besorgungen und …«
»Ich bringe dich heim.«
Genau, was sie bezweckt hatte; ich wußte es wohl.
Wir nahmen den Maulesel des Verwalters, dem wir ausrichten ließen, ich würde das Tier umgehend zurückschicken. Ich habe meine Damen am liebsten vor mir im Sattel; Helena bestand darauf, hinter mir zu sitzen. Es wurde ein arg holpriger Ritt, was ich dem Maulesel durchgehen ließ, weil Helena sich so die ganze Zeit über an mir festhalten mußte. Aber als wir gerade die Grenze zu Marcellus’ Anwesen überquert hatten, passierte etwas, womit ich nicht gerechnet hatte. Helena wurde hinter mir unruhig, und ich zog die Zügel an, aber bevor ich ihr beispringen konnte, glitt sie im seidigen Rascheln weißer Röcke, unter denen die längsten Beine in der Campania zum Vorschein kamen, an der Flanke des Maultiers herunter – dann erbrach sie sich, sterbenselend, über einem Zaun.
Mit schlechtem Gewissen rutschte auch ich aus dem Sattel und suchte hastig unter all den Glöckchen und Lederfransen nach einer Wasserflasche.
»Oh, ich hasse dich, Falco! Das hast du mit Absicht gemacht …«
Ich hatte sie noch nie so elend gesehen. Es jagte mir regelrecht Angst ein. Ich setzte sie auf einen Findling und hielt ihr die Wasserflasche an den Mund. »Du erholst dich schneller, wenn du nicht sprichst …«
»Das könnte dir so passen!« Sie brachte es fertig, mir eine feixende Grimasse zu schneiden.
Ich verfluchte mich insgeheim, während ich mein Halstuch naß machte und ihr damit das heiße Gesicht und den Hals abtupfte. Ihre Lippen waren wie ausgedörrt, und sie war ganz grün im Gesicht, ein verräterisches Zeichen, das mir, der ich selbst leicht reisekrank werde, wohl vertraut war. Besorgt kauerte ich über ihr, sie hatte den Kopf in den Händen vergraben.
Sobald ihr Atem wieder regelmäßig ging, blickte sie reumütig auf. Ich gab einem Jungen, der vorbeikam, eine Kupfermünze und den Auftrag, den Maulesel zum Gut zu bringen.
»Wir gehen zu Fuß hinterher, wenn du dich wieder besser fühlst.«
»Es geht schon …«
»Nein, jetzt bleibst du erst mal sitzen!« Sie lächelte matt und gab nach.
Sie war immer noch sehr schwach. Ein weicherer Mann an meiner Stelle hätte sie in seine Arme genommen. Ich bemühte mich, mir nicht einzubilden, daß ich so ein Mann sei oder daß ihr diese Art Fürsorge willkommen gewesen wäre.
»Falco, hör auf, dazusitzen wie ein verlaufenes Küken! Erzähl mir lieber was! Wie gefällt es dir in Herculaneum?«
Ich setzte mich gerade und machte
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