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Brook, Meljean - Die Eiserne See

Brook, Meljean - Die Eiserne See

Titel: Brook, Meljean - Die Eiserne See Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Flammendes Herz
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sich die Beine besser kurzerhand von Mad Machen hätte amputieren lassen sollen, nachdem seine Männer sie aus dem Wasser gezogen hatten. Seine Schmiedin hätte ihr bessere Beine machen können. Stärkere. Schnellere. Schmerzunempfindliche. Vielleicht mit ein paar verborgenen Waffen darin, sodass sie aus ihren Zehen Kugeln hätte verschießen können.
    Und vielleicht würde sie auch dazu übergehen, einen Umhang zu tragen und sittsam die Hände zu falten.
    Sie biss die Zähne zusammen, warf die Decke aus gekämmter Wolle beiseite und schwang ihre Beine herum. Eine Eisschicht bedeckte das Wasser in der Waschschüssel. Sie zitterte sich durch ihre Katzenwäsche und zog die neuen Kleider an, die sich so steif anfühlten wie ihr Körper. Sie würden sich noch eintragen. Und nach einer halben Stunde würden sich auch ihre verfluchten Kniegelenke lockern.
    Sie rieb sich die Hände warm und ging in der winzigen Kabine auf und ab; dabei lauschte sie Mad Machens Crew, die ihren Deckspflichten nachging. Als die Schiffsglocke zur vollen Stunde läutete und Yasmeen nicht länger wie eine alte Frau schlurfte, ging sie in die Krankenstation, um mit Barker und Jannsen, dem Schiffsarzt, zu frühstücken.
    Bei ihrem Eintreten sah Jannsen von seinem Buch auf und schaute sie über den Rand seiner Lesebrille hinweg an, während sie zu ihrem Stuhl ging und sich setzte. »Sie sehen gut aus.«
    »Ich habe gut geschlafen.«
    »Mit Schlaftrunk oder ohne?«
    »Ohne.« Sie rauchte ihr Opium lieber – und sie erwachte lieber mit Schmerzen als mit dem Bedürfnis nach mehr. Sie wusste es besser, als jeden Abend einen Trunk zu sich zu nehmen; es spazierten zu viele Leute aus der fürsorglichen Pflege eines Arztes schnurstracks in die Tiefen einer Opiumhöhle hinüber. Sie sah Barker an und kniff die Augen zusammen. »Warum dieses dämliche Grinsen?«
    »Sie schulden mir einen Drink. Tenner hat gesehen, wie Sie das Schiff verlassen haben.«
    Ach ja, ihr mitternächtlicher Ausflug! Während der Abfahrt aus London hatte sie mit dem Steuermann gewettet, dass sie sich von der Vesuvius schleichen konnte, ohne dass sie jemand sah. Letzte Nacht hatte sie sich nicht einmal bemüht, sich heimlich wegzuschleichen; sie hatte sich von Tenner sogar dabei helfen lassen, ein Beiboot zu wassern.
    Aber sie würde Barker seinen Drink bezahlen, allein schon, weil es ein solch gutes Gefühl gewesen war, einmal wieder draußen zu sein – fast ebenso gut, wie rittlings auf der Brust eines nackten Archimedes Fox zu sitzen. Dass sie sich so über das Wiedersehen freuen würde, damit hatte sie nicht gerechnet. Selbst jetzt konnte sie sich noch keinen Reim darauf machen, wieso der monatelang sorgsam genährte Zorn verpufft war. Vielleicht lag es an Archimedes’ unverhohlener Freude darüber, dass sie noch am Leben war, und an seiner aufrichtigen Entschuldigung, was seinen Anteil an der Misere betraf. Vielleicht auch an der gefährlichen Ruhe, die über ihn gekommen war, als er den Entschluss fasste, ihre Crew zu rächen. Oder an dem Bartschatten auf seinem kantigen Kinn, an dem Gelächter in seinen smaragdgrünen Augen, an seinem lässigen Grinsen.
    Oder an dem Feuer, das sie durchströmt hatte und von jedem albernen Wort, das er sagte, weiter angefacht worden war. Hätte er nicht gerade gestunken wie eine Jauchegrube, sie wäre noch ein wenig länger geblieben und hätte es herunterbrennen lassen. Dagegen sprach überhaupt nichts. Sie hatten ein bisschen Fangen gespielt, er mit seinem falschen Namen und sie mit der Skizze, aber nun spielte Yasmeen nicht mehr. Sie hatte jetzt nur noch ein Ziel: diese Dreckskerle zu finden, die ihre Lady angegriffen hatten. Es würde Zeit und Geld kosten, aber beides investierte sie gern.
    Draußen vor dem Bullauge der Krankenstation lag Dunkelheit, nur Richtung Osten zeigte sich am Himmel leichte Dämmerung. Bald rief die Arbeit. Wenn die heutige Bergungstour gut ausging, hatte sie Grund zum Feiern. Es gab schlechtere Arten zu feiern, als einen gut aussehenden Mann mit einem schlanken Körper und einer Silberzunge zu reiten.
    Es gab auch einige wenige bessere Arten, aber es verlockte Yasmeen dennoch, das ein- oder zweimal zu probieren.
    Und weil der Gedanke an diese Silberzunge sie großmütig machte, verkündete sie: »Sobald ich meinen Tresor habe, spendiere ich Ihnen einen Drink plus ein Pfund Guajaca-Kaffee.«
    Barkers Augenlider wurden schwer, als hätte ihm seine neueste Geliebte gerade etwas ins Ohr geflüstert. Eine schwache

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