Brooklyn
Straße rein. Man weiß nicht, was die alles haben können.«
»Ich habe schon davon gehört«, sagte Miss Keegan. »Die setzen den Pennern lustige Hüte auf und drücken ihnen eine Flasche Stout in die Hand.«
»Sie sind eine Heilige, Eilis«, sagte Patty. »Eine leibhaftige Heilige.«
Auf der Arbeit fragte Miss Fortini, ob Eilis in der Woche vor Weihnachten länger bleiben könnte, und sie willigte ein, da das College zwei Wochen lang zumachte. Sie erklärte sich auch bereit, an Heiligabend bis zur allerletzten Minute zu arbeiten, da manche der Verkäuferinnen früher wegwollten, um den Zug oder Bus erreichen und mit ihren Angehörigen zusammensein zu können.
Als sie an Heiligabend im Bartocci’s fertig war, ging sie, wie vereinbart, direkt zum Gemeindesaal, um sich für den nächsten Tag einweisen zu lassen. Von einem Laster wurden erst lange Tische und dann Bänke abgeladen und hereingetragen. Sie hatte gehört, wie Father Flood vor der Messe einige Frauen gebeten hatte, ihm über Weihnachten Tischdecken zu leihen. Nach seiner Predigt hatte er um Spenden von Besteck und Gläsern und Tassen und Untertassen und Tellern gebeten, damit er seinen Vorrat aufstocken konnte. Er erklärte außerdem, der Gemeindesaal sei am Weihnachtstag von elf Uhr vormittags bis neun Uhr abends geöffnet, und jeder, der vorbeikomme, sei ohne Rücksicht auf seinen Glauben oder sein Herkunftsland im Namen Gottes willkommen; auch wer keine Speise oder Erfrischung brauche, könne jederzeit vorbeikommen und zur Festlichkeit des Tages beitragen, aber bitte nicht, fügte er hinzu, zwischen halb eins und drei, wenn das Weihnachtsessen serviert werde. Er kündigte außerdem an, dass er ab Mitte Januar jeden Freitag einen Tanzabend mit einer Kapelle,aber ohne Alkohol veranstalten werde, um Spendengelder für die Gemeinde zu sammeln, und dass bitte jeder es weitersagen sollte.
Sobald sich Eilis an den Männern, die die Tische und Bänke in ordentlichen Reihen aufstellten, und den Frauen, die Weihnachtsschmuck an die Decke hängten, vorbeigedrängt hatte, sah sie Father Flood.
»Ob Sie wohl das Besteck zählen könnten, damit wir auch sicher sind, dass wir genug haben?« sagte er. »Sonst müssen wir nämlich betteln gehen.«
»Wieviel Leute erwarten Sie?«
»Zweihundert waren’s letztes Jahr. Sie kommen rüber aus Manhattan, manche auch aus Queens oder rüber aus Long Island.«
»Und es sind alles Iren?«
»Ja, das sind alles übriggebliebene Iren – sie haben die Tunnel und die Brücken und die Highways gebaut. Manche von ihnen sehe ich nur einmal im Jahr. Gott allein weiß, wovon sie leben.«
»Warum fahren sie nicht wieder zurück?«
»Manche von ihnen sind seit fünfzig Jahren hier und haben jeden Kontakt zu drüben verloren«, sagte Father Flood. »Vor Jahren habe ich einmal die Heimatadressen von einigen von ihnen herausbekommen, von den Hilfsbedürftigsten, und ich habe ihretwegen nach Irland geschrieben. Größtenteils Fehlanzeige, aber die Schwägerin von einem dieser armen alten Teufel hat in einem geharnischten Brief geschrieben, dass der Hof oder die Farm oder was auch immer nicht ihm gehöre und er solle sich bloß nicht einfallen lassen, jemals einen Fuß dorthinzusetzen. Sie würde ihn schon am Tor davonjagen. Das habe ich nicht vergessen. Das hat sie wörtlich geschrieben.«
Eilis ging zusammen mit Mrs. Kehoe und Miss Keegan zur Mitternachtsmesse und erfuhr auf dem Heimweg, dass Mrs. Kehoe zu den Gemeindemitgliedern gehörte, die für Father Flood einenTruthahnbraten und Kartoffeln und einen Schinken vorbereiteten, und dass alles um zwölf abgeholt werden würde.
»Das ist wie im Krieg«, sagte Mrs. Kehoe. »Die Armee verproviantieren. Muss wie am Schnürchen laufen. Das bisschen, was wir selbst benötigen, werde ich vorher abschneiden, es war der größte Truthahn, den ich bekommen konnte, sechs Stunden wird er im Ofen brauchen. Und wir, nur wir vier, ich, Miss McAdam, Miss Heffernan und Miss Keegan hier, werden essen, sobald der Truthahn abgeholt worden ist. Und wenn irgendwas übrigbleibt, heben wir es für dich auf, Eilis.«
Um neun Uhr war Eilis im Gemeindehaus und putzte hinten in der großen Küche Gemüse. Neben ihr arbeiteten Frauen, die sie noch nie gesehen hatte, alle älter als sie, manche mit einem leichten amerikanischen Akzent, aber alle irischer Abstammung. Die meisten von ihnen, erfuhr sie, waren nur während der ersten Hälfte des Vormittags hier, dann würden sie heimgehen, um für ihre eigene
Weitere Kostenlose Bücher