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Brooklyn

Brooklyn

Titel: Brooklyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Colm Tóibín
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Die Sauce war genauso rot, aber voller Aromen, die sie noch nie zuvor gekostet hatte. Sie schmeckte, fand sie, fast süß. Bei jedem Bissen musste sie kurz pausieren und ihn im Mund behalten. Sie fragte sich, was da wohl für Zutaten benutzt worden waren, und ob die anderen, für die dieses Gericht etwas ganz Normales war, sich bemühten, sie nicht zu genau anzusehen oder irgendwelche Kommentare abzugeben, während sie versuchte, so wie sie nur mit der Gabel zu essen.
    Tonys Mutter, die mit einem starken italienischen Akzent sprach, fragte sie nach ihren Prüfungen und ob sie beabsichtige, noch ein weiteres Jahr am College zu studieren. Sie erklärte, es sei ein zweijähriger Kurs und, wenn sie fertig wäre, sei sie Buchhalterinund würde in einem Büro statt als Verkäuferin arbeiten können. Während sich Eilis und Tonys Mutter unterhielten, sagte keiner der Jungen ein Wort oder hob die Augen von seinem Teller. Als Eilis versuchte, Franks Blick aufzufangen, um ihm zuzulächeln, reagierte er nicht. Sie warf Tony einen Blick zu, aber auch er hielt den Kopf gesenkt. Am liebsten wäre sie aus diesem Zimmer gerannt, die Treppe hinunter und durch die Straßen zur U-Bahn und in ihr eigenes Zimmer und hätte dann die Tür zugemacht und die ganze Welt ausgesperrt.
    Als Hauptgang gab es ein dünnes Stück paniertes gebratenes Fleisch. Als Eilis davon probierte, merkte sie, dass unter der Panade Käse und Schinken waren. Was es für ein Fleisch war, wusste sie nicht. Und die Panade selbst war so knusprig und wohlschmeckend, dass sie auch hier, auch bei mehrmaligem Probieren, nicht erkennen konnte, woraus sie bestand. Es gab weder Gemüse noch Kartoffeln als Beilage, aber da Diana erklärt hatte, das sei bei Italienern normal, wunderte sich Eilis nicht. Sie sagte Tonys Mutter gerade, es schmecke ganz köstlich, in der Hoffnung, dass es nicht so klang, als schmeckte es auch ungewohnt, da klopfte es an der Tür. Tonys Vater ging öffnen und kam dann kopfschüttelnd und lachend zurück.
    »Antonio, du wirst verlangt. Nummer achtzehn hat einen verstopften Abfluss.«
    »Dad, wir sitzen grad beim Essen«, sagte Tony.
    »Es ist Mrs. Bruno. Wir mögen sie gern«, sagte sein Vater.
    »Ich mag sie nicht«, sagte Frank.
    »Francesco, halt den Mund«, sagte sein Vater.
    Tony schob seinen Stuhl zurück und stand auf.
    »Nimm deinen Overall und dein Werkzeug«, sagte seine Mutter. Sie sprach die Wörter so aus, als bereitete es ihr Schwierigkeiten.
    »Wird nicht lange dauern«, sagte er zu Eilis, »und wenn der da auch nur ein einziges Wort sagt, dann meldest du es mir.« Er zeigte auf Frank, der zu lachen anfing.
    »Tony ist der Klempner unserer Straße«, sagte Maurice und erklärte, dass man ihn, da er Mechaniker war, immer holte, wenn Autos und Laster und Motorräder repariert werden mussten, während Laurence bald seine Schreinerlehre abgeschlossen hätte, so dass man ihn holen konnte, wenn Stühle oder Tische kaputtgingen.
    »Aber Frankie ist die Intelligenzbestie der Familie. Der geht mal aufs College.«
    »Aber nur, wenn er lernt, den Mund zu halten«, sagte Laurence.
    »Diese Iren, die Maurizio verprügelt haben«, sagte Frank, als habe er ihnen allen überhaupt nicht zugehört, »die sind dann nach Long Island gezogen.«
    »Freut mich zu hören«, erwiderte Eilis.
    »Und da draußen, da haben sie ganz große Häuser, und da hat man ein Zimmer für sich und schläft nicht im selben Zimmer wie seine Brüder.«
    »Würde dir das nicht gefallen?« fragte Eilis.
    »Nein«, sagte er, »oder vielleicht nur manchmal.«
    Während er sprach, fiel Eilis auf, sahen ihn alle an, und sie hatte den Eindruck, dass sie dasselbe dachten wie sie: dass Frank der schönste Junge war, den sie in ihrem ganzen Leben gesehen hatte. Sie musste sich zwingen, ihn nicht zu oft anzuschauen, während sie auf Tonys Rückkehr wartete.
    Sie beschlossen, ohne Tony mit dem Nachtisch anzufangen. Es war eine Art Kuchen, gefüllt mit Creme und dann mit irgend etwas Alkoholischem getränkt. Und als sie sah, wie Tonys Vater eine Art Kanne auseinanderschraubte und Wasser und löffelweise Kaffee hineingab, begriff sie, dass sie ihren Mitbewohnerinnen eine Menge zu erzählen haben würde. Die Kaffeetassen waren winzig, und der Kaffee, der dann serviert wurde, war dickflüssig und trotz des Löffels Zucker, den sie hineinrührte, bitter. Er schmeckte ihr zwar nicht, aber sie bemühte sich, ihn zu trinken, da die anderen nichts dabei zu finden schienen.
    Langsam wurde die

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