Broughton House - Haus der Sehnsucht
Wie lange war es her, dass sie sich so unbeschwert gefühlt hatte, so frei und sorglos, vielleicht sogar ein bisschen leichtsinnig? Es machte Spaß, mit André zusammen zu sein und von ihm umschmeichelt und bewundert zu werden, obwohl er kein Mann war, mit dem sie eine dauerhafte Beziehung eingehen würde.
War das der Grund, weshalb in letzter Zeit zwischen Marcus und ihr so viel schieflief? Nahmen sie alles zu ernst, und hatten sie vergessen, dass man auch gemeinsam Spaß haben konnte? Marcus wirkte neuerdings so abweisend, so vorwurfsvoll. Während André sie beinahe in einen Rausch versetzte, sodass sie sich wie ein junges Mädchen vorkam, erinnerte ihr Mann sie zunehmend an ihre zahlreichen Verpflichtungen und ihre Unfähigkeit, allen Ansprüchen gerecht zu werden.
Er war ungeduldig und gereizt und verschloss sich ihr immer öfter. Nicht nur, wenn es um Vanessa ging.
Eleanor war tief in Gedanken versunken und merkte erst jetzt, dass André die Hauptstraße verlassen hatte.
Als sie sich fragend zu ihm drehte, lächelte er und meinte leise: „Es ist beinahe Vollmond und hell genug, um den Brunnen zu sehen. Außerdem wird der Platz nachts mit Flutlicht angestrahlt, damit die Touristen die Fontäne und die Kirche besser bewundern können.“
Eleanor musste unwillkürlich lachen. Dann schüttelte sie bedauernd den Kopf. „Nein, André, es geht wirklich nicht“, erklärte sie. „Ich fliege morgen in aller Frühe zurück und habe noch nicht gepackt. Bitte drehen Sie um, und fahren Sie zurück.“
„Wenn Sie unbedingt möchten …“
Sie sah ihn einen Moment an. André hatte recht. Der Mond schien wirklich sehr hell. Sie konnte sein markantes Profil deutlich erkennen, das auf männliche Weise schön war. André hatte den sinnlichsten Mund, die sie je bei einem Mann gesehen hatte. Nicht einmal Jades Sam hatte solche Lippen. Nur eine Sekunde wagte sie, daran zu denken, wie es wäre, von diesem Mund geküsst zu werden. Nur eine Sekunde …
Sobald sie erkannte, wohin ihre Gefühle sie trugen, richtete Eleanor sich entschlossen auf und sagte ruhig: „Ja, ich möchte es.“
André machte keinen Versuch, sie umzustimmen. Er verringerte nur die Geschwindigkeit, während sie an einem schattigen Parkplatz entlangkamen.
Als Eleanor nicht reagierte, beschleunigte er den Wagen wieder. Er ließ sich nicht anmerken, ob er enttäuscht war, sondern erzählte unbekümmert von dem Unternehmen seines Onkels und der Rolle, die er darin spielte.
Einen Moment empfand Eleanor einen schmerzlichen Stich, weil André ihre Ablehnung ungerührt hinnahm. Dann wurde ihr bewusst, welche Gefahren solch ein Anflug von Eitelkeit nach sich ziehen konnte.
Gegen einen kurzen mündlichen Flirt, einen sehnsüchtigen Blick, vielleicht auch einen gelegentlichen Kuss war im Prinzip nichts einzuwenden. Aber wer wusste, wohin so etwas führen würde?
An dem Verlangen eines anderen Mannes und seiner Bewunderung liegt mir im Grunde gar nichts, gab Eleanor zu, als sie das Hotel erreichten. Sie wünschte nichts sehnlicher, als dass ihre Beziehung mit Marcus wieder so wie früher wurde.
André begleitete sie zum Hoteleingang. Sobald sie die Tür erreicht hatten, blieb sie stehen, drehte sie sich zu ihm und lächelte freundlich. „Sie brauchen nicht weiter mitzukommen, André“, sagte Eleanor leise.
„Sind Sie sicher?“
„Ja, ich bin sicher.“
Es hatte einen Moment im Wagen gegeben, wo sie versucht gewesen war, der Verlockung nachzugeben. Aber dieser Augenblick war längst vorüber. Mehr denn je hatte der junge Franzose ihr die Augen darüber geöffnet, was Marcus ihr wirklich bedeutete.
Aber bedeutete sie, Eleanor, auch so viel für ihn? Ihre Ehe, ihre Beziehung, die zu Beginn so eng und stabil gewesen zu sein schien, war in letzter Zeit immer zerbrechlicher geworden. Oder hatte sie nur diesen Eindruck, weil ihr Selbstbewusstsein neuerdings ziemlich angekratzt war?
Plötzlich konnte Eleanor es gar nicht erwarten, in ihr Zimmer zu kommen und mit Marcus zu telefonieren. Es reichte ihr nicht, dass sie morgen wieder zu Hause sein würde. Sie wollte und musste sofort mit ihrem Mann reden.
Sie hatte die Hotelhalle schon halb durchquert, da entdeckte sie ihn. Ungläubig starrte sie Marcus an und strahlte plötzlich über das ganze Gesicht. Schon eilte er auf sie zu.
„Marcus! Was machst du denn hier?“
„Ich wollte mit dir zusammen sein“, antwortete Marcus aufrichtig. Es spielte keine Rolle, weshalb er London ursprünglich fluchtartig
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