Broughton House - Haus der Sehnsucht
gewusst, dass er hier sein würde? Dass sie ihm hierher gefolgt war … Dass sie möglicherweise …
„Ich wollte den Garten noch einmal sehen, bevor du ihn zerstörst.“ So viel Mühe sie sich gab, sie konnte den Schmerz in ihrer Stimme nicht verbergen.
Plötzlich fielen einige Sonnenstrahlen auf ihr Haar. Für einen Moment war sie so sehr ein ätherischer Teil ihrer Umgebung, dass Adam die Luft anhielt und kaum zu atmen wagte. Er sah Fern an und kleidete sie in Gedanken in sanftes Grün und Gelb, in weiche, fließende Stoffe, die ihren geschmeidigen weiblichen Körper umspielten und ihre zarten Züge betonten. Die unscheinbare Kleidung, die Fern heute trug, erdrückte sie beinahe. Nur ihr Haar – dieses Haar …
Abrupt wandte Adam sich ab. Fern war Nicks Frau, und sie liebte ihren Mann, obwohl sie …
Fern beobachtete ihn. Es war unendlich schade, dass ausgerechnet Adam dieses Fleckchen Erde bedrohte, das ihr so viel bedeutete und ihr Trost, Schutz und Zuflucht bot.
Zuflucht wovor? Vor dem Leben? Vor sich selber? Vor ihrer Ehe?
„Ich … Ich muss jetzt gehen. Nick … Nick wartet bestimmt schon auf mich. Er fährt heute Abend nach London und …“
Ohne den Satz zu beenden, legte Fern den Kopf auf die Seite, eilte in einem weiten Bogen um Adam herum und kehrte auf den Pfad zurück. Sie spürte, dass er ihr nachblickte, wagte aber nicht, sich umzudrehen.
Adam! Heftige Verzweiflung erfasste sie, während sie den Weg entlangstolperte. Sie zitterte am ganzen Körper, und ihr war eiskalt, obwohl ihr Gesicht glühte und ihr Herz so raste, dass sie kaum richtig atmen konnte.
Zu spät wünschte sie, sie wäre sofort nach Hause gegangen und hätte der Versuchung widerstanden, vielleicht zum letzten Mal auf das Grundstück von Broughton House zu gehen.
6. KAPITEL
W iderstrebend wachte Zoe auf und spürte sofort, dass ihr etwas Unangenehmes bevorstand. Es schwebte drohend über ihr und bedrängte sie, sodass sie am liebsten, wie ein Kind, die Augen zugekniffen und getan hätte, als wäre sie noch nicht wach.
Sie rollte sich auf die andere Seite und fühlte nach der Stelle, wo Ben gelegen hatte. Das Bett war kalt und leer ohne ihn. Es war nach zehn. Er musste schon um vier Uhr aufgestanden sein, um zu den Markthallen zu fahren.
Bens Ausbildung umfasste nicht nur die Zubereitung der Speisen, sondern auch den Einkauf. Er kannte die Unterschiede zwischen den frischen Zutaten und jenen, die für eine gute Küche nicht infrage kamen.
Ihre, Zoes, Schicht begann erst um zwei. Deshalb musste sie Ben eigentlich dankbar sein, dass er sie nicht gestört hatte.
Wäre gestern nicht der Streit gewesen.
Sie hatte genau gemerkt, dass Ben noch nicht schlief, als sie ins Bett gekrochen war. Sein Körper war viel zu verkrampft gewesen. Doch er hatte ihr den Rücken zugedreht und nicht zugeben wollen, dass ihre Verärgerung berechtigt war.
Nicht seine Einstellung gegenüber der Schwangerschaft seiner Schwester machte Zoe zu schaffen. Am meisten kränkte sie seine Zurückweisung. Ben wollte einfach nicht einsehen, dass sie verstand, was in ihm vorging. Er benutzte den Klassenunterschied als Barriere gegen sie, obwohl sie sich geschworen hatten, sie niemals zwischen sich kommen zu lassen.
Es war beinahe, als hätte Ben sie absichtlich schockieren, ja abschrecken wollen.
Trotzdem hatte sie seinen Schmerz und seine Verzweiflung bemerkt. Ben liebte seine Familie und seine Schwester, obwohl er sich große Mühe gab, es zu verbergen.
Aber weshalb sollte sie, nur weil sie eine Frau war, jetzt Zugeständnisse machen, Verständnis zeigen und ihm verzeihen?
Weshalb durfte er, weil er ein Mann war, seinen Kummer bei ihr abladen, indem er sie angriff?
Sie hätten über Sharons Schwangerschaft reden sollen. Ben hätte einsehen müssen, dass sie zwar nicht seine Lebenserfahrung besaß, aber trotzdem zuhören konnte und begriff, was er empfand. Vielleicht würde sie einen anderen Standpunkt einnehmen als er. Aber der konnte auch überlegenswert sein.
Stattdessen hatte Ben zum Abschluss verbittert gesagt: „Du begreifst immer noch nicht, oder? Dir fehlt einfach die Antenne dafür. Äußerlich fühlst du mit, aber innerlich schreckst du vor dem zurück, was ich dir gerade erzählt habe. Daran wird sich nie etwas ändern. Du lebst in einer hübschen, sauberen, privilegierten Welt – es ist eine privilegierte Welt, ob du es wahrhaben willst oder nicht –, und hast absolut kein Gespür dafür, was das Leben für Leute wie meine Schwester
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