Broughton House - Haus der Sehnsucht
aufgeregt gewesen. Jetzt überlagerten andere Sorgen dieses Hochgefühl.
Zum ersten Mal empfand Zoe wenn auch keinen richtigen Zorn auf Bens Familie, so doch einen gewissen Groll.
Es ging um Bens und ihre Zukunft – eine verlockende, herausfordernde Zukunft, für die sie gemeinsam hart gearbeitet hatten. Doch nach der letzten Nacht schien ein Schatten darüberzuliegen. Ihre Vorfreude über den ersten wichtigen Schritt wurde von dem Kontrast zwischen ihrer Zukunft und der von Bens Schwester und deren Kind gedämpft.
Wenn sie diesen Unterschied schon so deutlich empfand, wie stark musste er dann für Ben sein?
Zoe bekam ein schlechtes Gewissen. War sie wirklich so egoistisch, dass sie es Sharon übel nahm, einen Schatten auf Bens und ihr Leben geworfen zu haben? Eigentlich hätte sie Mitleid mit dem Mädchen haben müssen.
Sie hob den Umschlag auf und legte ihn wieder hin.
Normalerweise stellte sie keine Selbstanalysen an. Doch jetzt fragte sie sich, ob Ben nicht recht hatte, wenn er sie beschuldigte, im Grunde gar nicht zu begreifen, wie seine Familie lebte.
Natürlich gab es auch in ihrer Bekanntschaft uneheliche Kinder. Aber die Babys waren entweder Wunschkinder gewesen oder ein „Betriebsunfall“, über den am Ende alle entzückt waren. Manche hatten auch Eltern mit einer festen Bindung, die keinen Trauschein zur Bestätigung ihrer Beziehung benötigten.
Mädchen wie Sharon gab es in ihrer Welt nicht. Und falls doch, redete niemand über sie.
Ben war ihr Freund und ihr Liebhaber. Die unterschiedliche Herkunft bereitete Zoe keinerlei Kopfzerbrechen. Im Gegenteil. Sie war stolz auf ihn, sehr stolz auf seine Persönlichkeit und alles, was er erreicht hatte. Sie liebte Ben und wollte Freud und Leid mit ihm teilen.
Bevor sie zur Arbeit ging, stellte Zoe den Brief an den Wasserkessel und legte einen Zettel daneben. „Ich liebe dich auch“, schrieb sie darauf und zeichnete ein Herz mit winzigen Küssen darunter.
„Ich will keine Kinder“, hatte Ben gesagt. Aber das machte nichts, denn sie wollte ja auch keine. Zumindest in diesem Stadium ihres Lebens nicht. Später vielleicht, viel später, wenn sie alles erreicht hatte, wovon sie träumte.
Zoes Schicht begann um zwei und endete offiziell um zehn. Doch es war nach halb elf, als sie endlich das Hotel verlassen konnte, und beinahe eins, als sie mit ihrem alten, aber zuverlässigen Mini die Wohnung erreichte.
Sie hatte erwartet, dass Ben schon schlafen gegangen wäre. Immerhin war er seit vier Uhr morgens auf. Doch als sie den Schlüssel hervorholen wollte, öffnete er ihr die Tür.
„Ben!“ Glücklich strahlte sie ihn an.
„Es tut mir so leid wegen gestern Abend“, erklärte er heiser, zog sie in die Arme und stieß die Tür mit dem Absatz zu.
„Lass es gut sein“, sagte sie leise. „Du warst furchtbar verstört. Hast du den Brief gefunden?“
„Welchen Brief?“, fragte Ben und liebkoste die empfindliche Haut hinter ihrem Ohr. Zoe ließ sich nicht täuschen.
„Du weißt genau, welchen Brief ich meine“, erklärte sie. „Hast du ihn geöffnet?“
Mit der Zungenspitze zog er ihre Ohrmuschel nach, und ein sinnlicher Schauer rieselte ihr Rückgrat hinab. Am liebsten hätte sie sich eng an Ben geschmiegt und sich träge und wollüstig wie eine Katze an ihm gerieben.
„Natürlich habe ich es nicht getan.“ Lächelnd ließ Ben sie los. „Du glaubst doch nicht, ich würde ihn ohne dich öffnen? Komm, tun wir es gemeinsam.“
„Nein“, antwortete Zoe und lächelte verschmitzt. „Machen wir ihn im Bett auf, dann können wir die gute Nachricht gleich feiern.“
„Und wenn es nichts zu feiern gibt?“, warnte Ben sie. Liebevoll sah sie ihn an.
„Dann sind wir genau am richtigen Ort, um uns gegenseitig zu trösten. Aber das wird nicht nötig sein“, antwortete sie bestimmt. Zoe bestand darauf, dass Ben den Brief aufmachte. Sie schloss die Augen, drängte ihn, sich zu beeilen, und hielt es vor Erwartung kaum noch aus. Heimlich drückte sie beide Daumen.
Sie spürte Bens Spannung, während er regungslos das Schreiben las. Endlich öffnete sie die Augen und fragte: „Was steht drin?“
Schweigend reichte Ben ihr den Brief. Zoe überflog die Zeilen und betrachtete die dicke glänzende Broschüre, die darangeheftet war.
„Oh Ben! Guck mal … Das ist ja fabelhaft!“
„Du hast den Brief noch gar nicht richtig gelesen“, schalt er sie. Doch er lächelte dabei, und sie merkte, dass er innerlich ebenso aufgeregt war wie sie.
„Freu
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