Broughton House - Haus der Sehnsucht
Geschichten zu hören. Fern hatte versucht, ihm beizubringen, dass dies die einzige Möglichkeit des alten Mannes war, mit seinem Kummer fertig zu werden.
„Sie fehlt Ihnen gewiss sehr“, sagte sie leise.
„Ja, das stimmt …“ Er sah sie an und betrachtete sie aufmerksam. „Sie sind sehr einfühlsam, Fern, sehr mitfühlend. Es tut gut, mit Ihnen zu reden. Dabei müssen Sie es längst leid sein, dass ich ständig von ihr rede.“
„Nein, ich bin es nicht leid“, antwortete Fern aufrichtig. „Ich weiß, wie nahe Lady Eugenie und Sie sich gestanden haben.“ Ein Schatten glitt über ihr Gesicht, während sie Lord Stantons Ehe mit ihrer eigenen verglich.
„Natürlich hatten wir auch schwierige Zeiten, wer hätte das nicht? Aber Eugenie war nicht nur meine Ehefrau, sie war auch meine beste Freundin und engste Vertraute. Nicht gleich zu Beginn, aber später, nachdem wir uns an die Ehe gewöhnt hatten. Freundschaft ist eine Tugend, die in der Ehe viel zu stark unterschätzt wird“, fügte er ruhig hinzu. „Heutzutage konzentriert sich die Aufmerksamkeit auf ganz andere Dinge … Doch wenn man älter wird, schätzt man es aufrichtig, gute Freunde zu sein. Als Freundin vermisse ich Eugenie am meisten. Als Frau … Als Ehefrau hat sie mein Verhalten vielleicht nicht immer gutgeheißen. Aber als Freundin akzeptierte sie meine Fehler und Schwächen und machte entsprechende Zugeständnisse.“
Lächelnd hob er den Kopf und bemerkte die Tränen in Ferns Augen. „Oje, jetzt habe ich Sie traurig gemacht“, sagte er und tätschelte ihre Hand. „Das war wirklich nicht meine Absicht.“
„Nein, Sie haben mich nicht traurig gemacht“, versicherte Fern ihm und schnäuzte sich die Nase.
Ihre eigenen Eltern hatten ebenfalls eine lange, glückliche Ehe geführt. Aber sie waren schon Anfang vierzig gewesen, als ihre Tochter unerwartet, aber höchst willkommen geboren worden war. Sosehr Fern ihre Eltern geliebt hatte und wusste, dass Vater und Mutter sie ebenfalls liebten, sie hatte nicht offen mit ihnen reden können. Sie hatte sich verpflichtet gefühlt, die beiden nicht zu enttäuschen, und sich Mühe gegeben, deren friedliche Harmonie nicht mit den eigenen Problemen zu belasten.
Aber ich bin hier, um Lord Stanton zu helfen, und nicht, um über meine Schwierigkeiten nachzudenken. Entschlossen holte sie ihre Kopie der Einladungsliste hervor und ging die Namen mit dem Lord durch.
„Sally Broughton wird uns in Zukunft sehr fehlen“, sagte Lord Stanton, als sie fertig waren. „Vor allem beim Sommerfest.“
„Ja“, stimmte Fern ihm zu und fügte unglücklich hinzu: „Ich hoffe sehr, dass Broughton House nicht abgerissen wird.“
„Abgerissen? Das doch gewiss nicht!“, sagte Lord Stanton entsetzt.
„Nick meint, es wäre nicht ausgeschlossen. Und Adam …“ Sie hielt inne und biss sich auf die Unterlippe.
„Was ist mit Adam?“, forschte Lord Stanton nach.
„Nun, ich sah ihn neulich auf dem Grundstück von Broughton House. Mir schien, er hätte einen Bauplan dabei. Nick erzählte, sein Stiefbruder gehöre einem Konsortium an, welches das Haus kaufen und abreißen möchte, um das Grundstück kommerziell zu nutzen. Für ein Einkaufszentrum, verschiedene Läden und so weiter.“
„Unsinn“, erklärte Lord Stanton mit fester Stimme. „Nick ist zwar Ihr Mann, aber in diesem Punkt irrt er sich bestimmt. Sollte Adam tatsächlich etwas mit dem Kauf von Broughton House zu tun haben, können Sie sicher sein, dass er sich niemals für einen Abriss einsetzen würde. Ich bin erstaunt, dass Sie so etwas vermuten. Adam ist ein äußerst redlicher, rechtschaffener Mann. Ich kenne niemanden, der sich mehr verpflichtet fühlt, das Beste für die Stadt und seine Bewohner zu erreichen. Weshalb haben Sie nicht längst selber mit ihm geredet, wenn Sie wirklich so sehr um Broughton House fürchten?“
Fern merkte, dass sie rot wurde. Instinktiv senkte sie den Kopf und versuchte, ihre Verlegenheit und ihre Schuldgefühle hinter ihrem dichten Haar zu verbergen.
„Adam ist sehr beschäftigt“, murmelte sie unsicher. „Ich … Ich möchte ihn nicht belästigen. Außerdem … Nun, ich … Sollte er tatsächlich in einen spekulativen Plan zum Ankauf des Hauses verwickelt sein, muss er die Angelegenheit ohnehin vertraulich behandeln.“
„Sie irren sich bestimmt“, versicherte Lord Stanton ihr. „Übrigens freut es mich sehr, dass er neuerdings mit der hübschen jungen Tochter von George James ausgeht. Es ist höchste
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