Broughton House - Haus der Sehnsucht
Schuldbewusst erinnerte sie sich, wie besorgt und erschöpft er gewesen war, bevor er abreiste.
Was mochte mit Sharon los sein? Das Mädchen wäre Hals über Kopf ins Krankenhaus gekommen, hatte Ben erzählt. Weil Gefahr für ihre Gesundheit bestand? Oder weil ihr Baby …
Erschrocken presste Zoe die Hand auf ihren flachen Bauch und spreizte die Finger schützend über die Stelle, die ihr Kind einnehmen würde.
Nur würde es dieses Kind nie geben.
Das Telefon läutete und lenkte Zoe von ihren Gedanken ab. Sie hob den Hörer ab, und ihre Laune besserte sich, sobald sie Bens Stimme hörte.
„Wie geht es Sharon?“, fragte sie sofort, um ihn für ihre schlechte Laune von vorhin zu entschädigen. Vor allem wollte sie ihm beweisen, dass sie sich nicht an ihn klammerte und ihm nicht die Verantwortung für sich aufbürdete – im Gegensatz zu seiner Schwester.
„Im Augenblick ist ihr Zustand stabil. Sie muss aber noch zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben.“ Ben klang müde und gereizt. „Meine Mutter ist restlos mit den Nerven fertig. Sharon und sie hatten einen Streit, und sie fühlt sich für das verantwortlich, was anschließend passiert ist. Der Arzt sagt allerdings, dass es sich um ein organisches Problem handelt und nichts mit dem Streit zu tun hat. Ich muss über Nacht hierbleiben, Zoe. Würdest du bitte meinen Chef anrufen und ihn verständigen?“
„Ja, natürlich“, versprach Zoe. „Bisher ist noch keine Nachricht von Clive gekommen. Aber wir hören sicher bald von ihm.“
„Ich hoffe es.“ Ben war ziemlich niedergeschlagen. „Wenn es nicht klappt, werde ich vermutlich bald arbeitslos sein. Aldo scheint Verdacht geschöpft zu haben, dass ich irgendetwas vorhabe.“
„So weit wird es sicher nicht kommen“, tröstete Zoe ihn. „Und wenn er dich wirklich rauswirft, können wir ohne Weiteres einige Monate von dem leben, was ich verdiene.“
Sie hörte, wie Ben verächtlich schnaufte, und wusste genau, was er von ihrem Vorschlag hielt. Manche Ansichten waren so tief verwurzelt, dass sie sich einfach nicht ausrotten ließen.
Zehn Minuten, nachdem sie den Hörer aufgelegt hatte, übergab Zoe sich erneut. Anschließend lehnte sie sich an die Wand und schloss die Augen.
Natürlich tat sie das Richtige. Sie hatte gar keine andere Wahl … Erst recht nicht, wenn Ben tatsächlich arbeitslos wurde und sie von ihrem Gehalt leben mussten.
Sie durfte nicht sentimental werden wegen eines Babys, das sie nicht geplant hatten. Trotzdem rannen ihr heiße Tränen die Wangen hinab, und ein unsägliches Gefühl von Einsamkeit und Verlassenheit erfasste sie.
Das wäre bestimmt nicht passiert, wenn Ben bei ihr wäre. Dann hätte sie gar keine Gelegenheit gehabt, sich in Selbstmitleid zu ergehen, sondern müsste aufpassen, dass er nichts merkte.
Aber Ben war nicht da. Er war in Manchester bei seiner hilflosen schwangeren Schwester.
Ich muss jetzt unbedingt Menschen um mich haben, überlegte Zoe. Gleich morgen früh würde sie die Klinik anrufen und einen Termin für den Abbruch ausmachen. Aber jetzt … Ich fahre zu meiner Mutter, beschloss sie.
Sie war kein Kind mehr. Ben brauchte nicht ihre Hand zu halten und sie zu trösten. Sie wusste genau, was sie zu tun hatte. Sie hatte keine Wahl zu treffen, sondern musste den Dingen ihren logischen Lauf lassen.
Keine Wahl … Zoe erschauerte ein wenig, als sie die Wohnung verließ. War die Tatsache, dass sie keine Wahl hatte, der Grund für diese nebulösen, undefinierbaren Empfindungen, die sie durchströmten?
Der Wagen des Vaters stand in der Einfahrt zu ihrem Elternhaus. Zoe freute sich sehr darüber. Statt zu läuten, wie sie es gewöhnlich tat, beschloss sie, ihren Schlüssel zu benutzen und Vater und Mutter zu überraschen.
Zum ersten Mal seit der Entdeckung ihrer Schwangerschaft lächelte sie wieder und betrat die Diele. Dann erstarrte sie plötzlich, denn sie hörte laute Stimmen. Ihre Eltern stritten sich. Das war noch nie passiert.
Die Küchentür stand halb offen. Verbittert erklärte die Mutter: „Begreifst du nicht, dass ich etwas anderes mit meinem Leben anfangen möchte, als herumzusitzen und darauf zu warten, dass du nach Hause kommst? Das geschieht in letzter Zeit ohnehin nicht häufig.“
Der Küchenstuhl schabte über die Bodenfliesen. Dann antwortete ihr Vater ungewöhnlich scharf: „Arbeiten willst du? Dass ich nicht lache. Was willst du denn tun? Du hast doch gar nichts gelernt!“
„Und wessen Schuld ist das? Wer hat denn immer
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