Brown, Dale - Feuerflug
einmal, langsam, dann wandte er sich ab. Im nächsten Augenblick war er mit einem lauten Zischen verschwunden. Susan bildete sich ein, seine Stiefel auf dem Dach des Gebäudes gegenüber zu hören, aber sie konnte ihn nicht mehr sehen.
Im Augenblick war McLanahan ein emotionales Wrack – sein Bruder tot, seine Frau verglüht, sein Team dezimiert, sein Auftrag gescheitert. Erwartete sie tatsächlich, dass er noch würde kämpfen können?
Je rascher er das Land verließ, dachte sie, desto besser für ihn.
8
Coronado Island, Kalifornien Einige Wochen später
Der Anrufbeantworter schaltete sich zum sechsten oder siebten Mal an diesem Abend ein, weil Patrick auch diesen Anruf ignoriert hatte.
Der Abend war ungewöhnlich warm, deshalb saß Patrick auf dem großen Balkon mit Blick über die Bucht, trank mit kleinen Schlucken einen Grand Marnier und beobachtete das Treiben auf der San Diego Bay. Er konnte die Bucht von der Marinestation an der 32nd Street im Süden bis zum Flugplatz der Marineflieger auf North Island und der Marinestation Point Loma im Norden überblicken. Auf North Island, dem Zentrum der U.S. Navy für U-Bootbekämpfung, herrschte wie meistens reger Betrieb: Flugzeuge aller Größen flogen unmittelbar hinter dem Hotel Del Coronado über den Pazifikstränden von Coronado zur Landung an. Etwas weiter südlich am Strand lag das Ausbildungszentrum der U.S. Navy für Unterwassersprengungen, in dem die SEALs der Navy stationiert waren; von dort aus waren das ganze Jahr über bei Tag und Nacht große Schlauchboote an der Küste entlang unterwegs. Die Aktivitäten im Hafen ließen kaum Rückschlüsse darauf zu, was sich in anderen Teilen der Welt tat. Vor North Island lagen gegenwärtig zwei Flugzeugträger, was ungewöhnlich war. Auch in der Marinestation 32nd Street herrschte mehr Betrieb, als Patrick je gesehen hatte – alle Piers schienen belegt zu sein. Würde bei einem bevorstehenden Krieg dort drüben mehr Betrieb herrschen, weil Schiffe einsatzbereit gemacht wurden, oder weniger Betrieb, weil alle verfügbaren Schiffe in ihre Einsatzgebiete unterwegs waren? Das wusste er nicht. Ein ausgebildeter Spion hätte vielleicht eine Antwort darauf gewusst, aber Patrick war kein Spion. Im Augenblick war er eigentlich gar nichts mehr – kein Soldat, kein Night Stalker. Nur ein Mann mit einem kleinen Sohn, einer als vermisst gemeldeten Frau, einem toten Bruder und einer höchst Ungewissen Zukunft.
Nach den letzten Angriffen der Night Stalkers und der EB-52 Megafortress von Sky Masters Inc. auf Ziele in Libyen hatten Patrick und seine Männer endlich Ägypten verlassen. Ihr Schwenkrotor-Flugzeug CV-22 Pave Hammer hatte sie zu einem abgelegenen Flugplatz im Süden Israels geflogen, wo sie Zivilkleidung sowie Reisepässe und Flugtickets bekommen hatten. Sie wurden nach Tel Aviv gefahren und flogen von dort aus in kleinen Gruppen über London und Los Angeles nach San Diego.
Diese Heimkehr war ohne Frage der glücklichste – und zugleich traurigste – Tag in Patricks Leben. Seine Mutter und seine Schwestern brachten den kleinen Bradley zum Lindbergh International Airport in San Diego; sie umarmten Patrick zur Begrüßung herzlich, aber ihre starren, strengen Mienen zeigten ihm deutlich, dass sie ihm die Schuld an Pauls und Wendys Tod gaben – und daran, dass sein Sohn nun eine Halbwaise war. Patrick ignorierte ihren Zorn. Er schloss seinen Sohn mitten im Ausgang stehend in die Arme und drückte ihn lange an sich, ohne auf das Gemecker der dadurch behinderten Mitreisenden zu achten.
Sie hatten sich kaum vom Ausgang abgewandt, als der fünfjährige Bradley fragte: »Dad, wo ist Mami?«
Vor diesem Augenblick hatte Patrick sich gefürchtet. Er bedeutete den anderen, sie sollten vorausgehen, nahm seinen Sohn zu einer Sesselreihe vor einem großen Panoramafenster mit und setzte ihn dort neben sich. Trotz seiner Aufforderung blieben seine Mutter und seine Schwestern in der Nähe – in respektvollem Abstand, aber nahe genug, um alles beobachten und mithören zu können.
»Brad«, erklärte Patrick ihm ernst, »Mami kommt nicht mit uns nach Hause.«
Die blauen Augen des Kleinen füllten sich sofort mit Tränen. »Warum nicht?«
»Sie hat mir und Onkel Paul und Onkel Hal und Onkel Dave und Onkel Chris und einem ganzen Haufen weiterer Freunde geholfen und ist dabei schlimm verletzt worden.«
»Ist sie tot?«
Patrick gewann sofort Trost und Kraft aus dieser erstaunlichen Reife seines kleinen Sohns. Er war sich
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