Brown, Dale - Patrick McLanahan - 09 - Mann gegen Mann
genieße.«
Annie wandte sich von ihm ab, beendete damit die Behandlung und bedachte ihn mit einem schwachen Lächeln. »Danke, Partner«, sagte sie. »Ich weiß die Massage zu schätzen – und die Idee dahinter.«
»Ich höre ein Aber«, sagte Dev. Er ergriff ihre Hände und sah ihr tief in die Augen. »Hör mir zu, Annie. Ich muss dir etwas sagen, bevor ich platze.«
»Dev, dies ist nicht der richtige Augenblick für …«
»Doch, das ist er. Ich bin verrückt nach dir. Das bin ich schon lange, schon seit du zu unserer Staffel gekommen bist. Wir sind ein paarmal miteinander ausgegangen, aber du hast dich immer so verhalten, als wolltest du dich mit einem höheren Offizier leger über Fliegerei unterhalten oder kumpelhaft mit einem älteren Bruder ein Bier trinken. Ansonsten bist du immer zu beschäftigt gewesen, um mich richtig wahrzunehmen. Du benimmst dich, als sei unsere einzige gemeinsame Nacht ein Fehler gewesen, als sollte ich mich ihretwegen schämen.
Aber ich warne dich, Annie: So kann’s nicht weitergehen. Was wir hinter uns haben, hat mich etwas gelehrt, das ich den Befragern nicht erzählt habe – dass das Leben zu kurz ist. Wünscht man sich etwas, muss man sich gleich darum bemühen, denn morgen liegt man vielleicht schon bewusstlos auf dem Bauch im Schnee, nachdem man über feindlichem Gebiet mit dem Schleudersitz aus einem Überschallbomber ausgestiegen ist.«
Annie musste unwillkürlich lachen. Wäre ihnen das nicht selbst passiert, hätte sie diese Idee tatsächlich für witzig gehalten.
»Dev …«
»Du liebst Oberst Luger, stimmt’s?«, fragte Deverill. Annie sah ihm in die Augen und nickte. »Entschuldige, Annie, aber der Kerl ist irgendwie komisch, findest du nicht auch? Ich meine, ich habe schon andere Workaholics kennen gelernt, aber er schlägt sie alle um Längen. Man könnte glauben, er sei besessen oder so.« Er merkte, dass sie seine Worte innerlich zurückwies, spürte aber auch, dass sie seine Beobachtungen als richtig erkannte. »Wo ist er heute Abend, Annie? Warum ist er nicht hier bei dir, wenn er dein Geliebter ist? Alle anderen sind zu unserer Begrüßung gekommen – aber wo war Luger?« Darauf konnte sie keine Antwort geben, weil sie’s nicht wusste und nicht verstand.
»Ich will den Kerl nicht herabsetzen, und ich werde nur noch eines sagen: Ich will dich, Annie«, fuhr Deverill fort. »Ich denke, wir haben viel gemeinsam. Das möchte ich herausbekommen. Ich glaube, dass du das auch möchtest. Und falls Oberst Luger dich wirklich will, zeigt er’s auf eine sehr merkwürdige Weise. Du verdienst mehr, viel mehr. Ich kann’s dir geben. Kann er das auch?« Er küsste sie auf die Stirn. Seine Lippen waren sanft und warm wie seine Hände. »Ich will dir jetzt keine Entscheidung abfordern, Annie«, sagte er ernst. »Aber ich muss dich an etwas erinnern: Ich bekomme, was ich will. Und ich glaube, du willst auch mehr.« Danach ging er mit einem Lächeln und einer flüchtigen Berührung ihrer Wange. »Ich rufe dich an«, sagte er noch.
Annie blieb sekundenlang unbeweglich stehen, während sie sich vergebens bemühte, all die widersprüchlichen Emotionen, die ihr durch den Kopf und durchs Herz gingen, zu klassifizieren. Es gab eine Entscheidung zu treffen, Fragen zu beantworten. Aber heute Abend würde sie offenbar keine Antworten bekommen, weil der Mann, den sie liebte, nicht da war, um sie ihr zu geben. Annie überlegte, ob sie ihren subkutanen Sender benutzen sollte, um ihn zu rufen, ließ es dann aber doch bleiben. Sie griff nach ihrer Helmtasche und machte sich auf den Weg zur Unterkunft für ledige Offiziere, um endlich ihren wohlverdienten Schlaf zu bekommen.
Aus dem Besprechungsraum gegenüber sah ihr ein Augenpaar mit traurigem, gequältem Blick nach.
Im Konferenzraum nebenan hatte Generalmajor Roman Smolij, der Oberbefehlshaber der ukrainischen Luftwaffe, seine Unterlagen durchgearbeitet und wollte eben gehen, als ihm auffiel, dass im Besprechungsraum gegenüber noch Licht brannte. Er warf einen Blick hinein und sah zu seiner Überraschung Oberst Luger allein am Tisch sitzen. Seine Arme hingen gerade herab, sein Kopf war gesenkt, seine Füße standen parallel zueinander auf dem Fußboden.
Smolij erkannte diese Haltung: So saßen Häftlinge, wenn ihnen erlaubt wurde, Platz zu nehmen und sich auszuruhen.
»Oberst Luger?«
David hob ruckartig den Kopf und legte dann seine Arme so auf den Tisch, dass die Handflächen flach auf der Tischplatte lagen. Ebenfalls
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