Brown, Dale - Patrick McLanahan - 09 - Mann gegen Mann
eine Häftlingshaltung, die als sitzende Habachtstellung bezeichnet wurde. Luger gab sie jedoch rasch auf und drehte sich zu der Tür um. Als er Smolij erkannte, verdüsterte sich sein Blick, und er stand auf. Seine Körpersprache war herausfordernd und zugleich defensiv. »Was tun Sie hier, General?«
»Mir ist gestattet worden, Oberstleutnant Briggs, Master Sergeant Wohl, Major Weston und die übrigen Besatzungsmitglieder des in Borispol gelandeten Flugzeugs zu befragen«, antwortete der Ukrainer. »Ich arbeite an einer Analyse der russischen Luftverteidigung und der Effektivität der amerikanischen Stealth-Technologie im Einsatz gegen verschiedene Waffen- und Sensorsysteme.« Er musterte Luger mit hochgezogenen Augenbrauen. »Darf ich fragen, was Sie hier machen?«
»Nein, das dürfen Sie nicht.«
»Wieso haben Sie weder an der Begrüßung im Hangar noch an der Befragung durch die Operationsabteilung teilgenommen?«, erkundigte Smolij sich.
»Das geht Sie nichts an.«
Der General nickte. »Meinetwegen. Ich bin nicht Ihr Vorgesetzter – ich kann Sie nicht dazu zwingen, mir zu antworten.«
»Allerdings nicht!«
»Die Entscheidung liegt bei Ihnen.« Smolij beobachtete Luger scharf, während er hinzufügte: » Sdjes ujesshaju sejtschas. Sie können gehen.«
Lugers Blick veränderte sich in erstaunlich raschem Wechsel – er wurde nachgiebig und passiv, dann funkelte er zornig, dann wurde er sofort wieder passiv. Es war, als sei Luger für einen Augenblick in das scheußliche Loch zurückgekehrt, in dem er vor Jahren in Litauen gefangen gehalten worden war, und reagiere roboterhaft auf Befehle der brutalen, sadistischen Aufseher; dann schien er kurz aufbegehren zu wollen, versank fast im selben Augenblick wieder in einen passiven, schützenden Dämmerzustand und wurde zuletzt fast mörderisch zornig. Alles binnen weniger Sekunden. »Idi k shobanjej materi« , knurrte er.
Er wollte an Smolij vorbei den Raum verlassen, aber der hünenhafte ukrainische General verwehrte ihm mit erhobener Hand den Durchgang. »Sie sind kein Gefangener mehr, Oberst«, sagte er. »Sie sind ein freier Mann, ein Amerikaner. Sie sind ein Oberst und Ingenieur der United States Air Force.« Luger starrte ihn mit zornig funkelnden Augen an. »Und ich bin nicht länger Ihr Feind. Ich bin nicht länger Ihr Peiniger. Ich habe es nicht verdient, dass Sie solche Bemerkungen über meine Mutter machen.«
»Für mich bleiben Sie immer der perverse Mutterficker, der am Fisikous einen hilflosen, verwirrten Mitmenschen gequält hat«, stellte Luger fest. »Ich würde Sie umbringen, wenn ich könnte!«
»Ich weiß, wie Ihnen zumute ist, Oberst …«
»Das können Sie nicht wissen!«
»Ich weiß es aber«, sagte Smolij. »Unser Wiedersehen nach all diesen Jahren hat mich daran erinnert, was für ein herzloser, grausamer Scheißkerl ich damals war. Ich kann seither an nichts anderes mehr denken, Oberst, an nichts anderes mehr. Die Erinnerung daran, wie ich Ihnen damals das Leben zur Hölle gemacht habe, quält mich Nacht für Nacht.« Er musterte Luger prüfend, dann fügte er hinzu: »Wie ich sehe, ist’s Ihnen nicht anders ergangen. Und deshalb konnten Sie’s nicht ertragen, mit Hauptmann Dewey oder Major Deverill zu sprechen, weil Ihnen die Vorstellung, Sie sollten einen Mitgefangenen der Russen verhören, schrecklich erschienen ist. Auch wenn alles zu anderer Zeit, an einem anderen Ort und auf völlig andere Weise stattgefunden hätte, wäre es doch ein Verhör gewesen – und dazu wären Sie nie imstande.«
» Idi k tschortu , Smolij! Sie können mich mal!«, rief Luger auf Russisch und Englisch, bevor er den großen Ukrainer beiseite stieß und davonstürmte.
HAWC-Stabsgebäude, Elliott AFB, Nevada (am folgenden Morgen)
»Kommt rein, Leute«, sagte Generalleutnant Terrill Samson, als Patrick McLanahan und David Luger an seiner Tür erschienen. Es war noch früh am Morgen. Alle drei hohen Offiziere waren früher als sonst zum Dienst gekommen; Patrick und David hatten in ihren Computern eine E-Mail mit der Aufforderung vorgefunden, sich sofort beim Kommandeur einzufinden. Sie waren ernst gestimmt, denn Terrill Samson hatte offenbar etwas mit ihnen vor.
Dann folgte die Aufforderung, vor der sie sich gefürchtet hatten: »Bitte schließen Sie die Tür.« Verdammt. Ein Gespräch unter sechs Augen bedeutete nichts Gutes.
Nachdem Patrick die Tür geschlossen hatte, bot ihr Vorgesetzter Luger und ihm mit einer Handbewegung zwei Besuchersessel
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