Brown, Dale - Patrick McLanahan - 09 - Mann gegen Mann
ging sofort wieder auf Ostkurs, blieb mit nur im Leerlauf arbeitenden Triebwerken im Sinkflug, um möglichst wenig Wärme abzustrahlen und zu versuchen, sich in den vielen Radarechos über dem Schwarzen Meer zu verstecken, bis sie außer Reichweite der Küstenstationen waren. »Lach nicht zu laut, Gennadij«, sagte er dabei. »Diesmal hätte es auch uns erwischen können. Jetzt müssen wir beten, dass uns der Treibstoff bis Batumi reicht – sind wir nicht vorsichtig, können wir noch immer auf dem Meeresgrund enden.«
Sie hatten verdammt viel Glück: Ein Triebwerk ging unmittelbar nach dem Aufsetzen aus, und sie hatten kaum noch genug Treibstoff, um von der Landebahn aufs Vorfeld zu rollen, bevor die restlichen Triebwerke ausgingen. Die Bodenmannschaft musste in verzweifelter Hast einen Schlepper organisieren, der die Mt179 in ihren Hangar zog, bevor irgendjemand das Flugzeug sah. Die Treibstofftanks waren buchstäblich knochen-trocken.
Das Unternehmen war ein voller Erfolg gewesen – aber weder Stoica noch Jegorow hatten Lust, etwas anderes als ihr eigenes Überleben zu feiern.
7
KFOR-Hauptquartier, Camp Bondsteel, Priština, Kosovo (später am selben Morgen)
»Die Lage gerät vor unseren Augen außer Kontrolle, Gentlemen«, sagte Generalleutnant Sir Edmund Willoughby, Oberbefehlshaber der NATO-Truppen im Kosovo (NATOKFOR). »Ich habe die unangenehme Pflicht, Ihnen mitzuteilen, dass die Republik Makedonien soeben der Republik Albanien den Krieg erklärt hat – und umgekehrt.«
In dem großen Konferenzraum, einem ehemaligen Filmtheater, brach erregtes, schockiertes Gemurmel aus. Willoughby leitete eine frühmorgens angesetzte Strategiebesprechung aller KFOR-Kommandeure in Camp Bondsteel, dem Hauptquartier der NATO- und UN-Friedenstruppen, das in der Nähe des Flughafens Priština auf dem Gelände eines ehemaligen Filmateliers untergebracht war. Ebenfalls anwesend war der UN-Sondergesandte und Leiter der UNMission, Botschafter Sune Joelson aus Schweden. Diese UNMission war das militärisch-zivile Kommando, das 1995 die Schutztruppe der Vereinten Nationen in Makedonien abgelöst hatte und sich seither bemühte, die Grenzstreitigkeiten zwischen Albanien und Makedonien zu schlichten, bevor sie in einen regelrechten Krieg ausarteten.
»Gibt’s schon irgendwelche Informationen darüber, was die gegenseitige Kriegserklärung ausgelöst hat?«, fragte General Rudolf Messier, der deutsche KFOR-Kommandeur.
»Nichts«, antwortete Willoughby. »Nach Aussagen von Augenzeugen soll makedonische Artillerie das Feuer eröffnet und mehrere albanische Grenzposten zerstört haben. Makedonien bestreitet das und behauptet, in diesen Posten seien in Wirklichkeit vorgeschobene Artilleriebeobachter stationiert gewesen. Die Makedonier wollen von dort kommende Funksprüche aufgefangen haben, die ihrer Überzeugung nach verschlüsselte Zielkoordinaten enthielten.«
»Das scheint mir keine Provokation zu sein, die für eine Feuereröffnung ausreicht«, sagte General Mischa Simorow, der Oberst Kasakows Posten als russischer KFOR-Kommandeur übernommen hatte.
»Richtig – und für Albanien gilt das erst recht«, warf Luftwaffenoberst Timothy Greer, der amerikanische KFORKommandeur, ein. »Allein aus Struga werden bisher über hundertsechzig Tote gemeldet. Die Albaner haben auch mehrere historische Stätten getroffen.«
»Ich bin mir sicher, dass das eine verzögerte Reaktion auf den makedonischen Angriff auf Kukës war«, meinte Simorow. »Dort war die Zahl der Todesopfer zwei- bis dreimal so hoch.«
»Ich bestreite nicht, dass beide Angriffe schwerwiegend waren, Sir«, sagte Greer zu ihm. »Aber wozu eine Stadt fast vier Stunden lang mit Granaten und Raketen beschießen, nur weil irgendein hitzköpfiger Artillerieoffizier ein paar Granaten über die Grenze geschossen hat?«
»Sie scheinen sehr darauf bedacht zu sein, die darin liegende Gefahr kleinzureden, Oberst«, stellte Simorow fest. »Makedonien hat einen kriegerischen Akt verübt – es hat einen Präventivschlag gegen Beobachtungsposten entlang einer wichtigen Verkehrsroute geführt. Der konnte ohne weiteres als Vorbereitung zu einer Invasion gedeutet werden.«
»Invasion?« , wiederholte Greer ungläubig. »Makedonien sollte in Albanien einmarschieren? Womit denn? Die albanische Armee ist dreimal größer als die makedonische, und Makedonien hat praktisch keine Panzer oder Artillerie. Das ist eine lachhafte Vorstellung!«
»Lachhaft oder nicht, Oberst, jedenfalls
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